Markus Meyer, Christoph Schulz

4. Oktober 2017

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Mit der multifunktionalen Forstwirtschaft in Mitteleuropa wurde in der Vergangenheit der Blick vom Holz auf weiteren Nutzen des Waldes für den Menschen erweitert. Historisch wurde dieser Nutzen mit dem Begriff der Waldfunktionen beschrieben. Waldfunktionen oder der gesellschaftliche Nutzen des Waldes und ihre Kartierung sind ein etabliertes und rechtlich verankertes Instrument für die forstliche Planung im deutschsprachigen Raum. Die konzeptionelle Nähe zu Ökosystemleistungen kann zu Überlappungen führen. Dabei stellt sich die Frage, ob Ökosystemleistungen einen Mehrwert gegenüber einem seit den 1970er Jahren etablierten Ansatz bieten. Die Waldfunktionen mit den Unterkategorien Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion entsprechen zum Teil den Kategorien bereitstellende, regulierende und kulturelle Ökosystemleistungen. Die Kartierung der Waldfunktionen erfolgt auf Länderebene. Grundsätzlich sollen Waldbesitzer diese Funktionen bei der Bewirtschaftung fördern, wobei dieser Grundsatz in Staats- und Kommunalwälder in besonderem Maße gilt.

Stadtwald Augsburg

In dieser Studie interessierte uns, welche Ökosystemleistungen verschiedene Anspruchsgruppen für den Stadtwald Augsburg identifizierten und priorisierten. Im Vergleich haben wir untersucht, ob Ökosystemleistungen gegenüber Waldfunktionen einen Mehrwert als Bewertungsinstrument für den menschlichen Nutzen von Wäldern haben. Die Ökosystemleistungen wurden von lokalen Anspruchsgruppen und Experten für den Stadtwald Augsburg identifiziert, priorisiert und kartiert. Für Waldfunktionen wurde die expertenbasierte Kartierung der Bayerischen Forstverwaltung verwendet. Als stadtnahes Waldgebiet ist der Stadtwald einem hohen Erholungsdruck ausgesetzt und ist zugleich Wasser- und Naturschutzgebiet. Neu an unserem Artikel „Do ecosystem services provide an added value compared to existing forest planning approaches in Central Europe?“ ist der Vergleich der Ökosystemleistungen und Waldfunktionen auf der Fläche und nicht nur aus konzeptioneller Sicht.

Die verschiedenen Anspruchsgruppen haben die Erholung als besonders wichtig angesehen (Abbildung (a)), gefolgt von Naturschutz, Bereitstellung von Trinkwasser und Regulierung von Klima und Wasser. Der Bereitstellung von Holz und Nahrungsmitteln aus dem Wald wird seltener eine Wichtigkeit zugewiesen und Immissions- und Hochwasserschutz werden bis auf wenige Ausnahmen als vergleichsweise unwichtig angesehen.

Betrachtet man die verschiedenen Nutzergruppen (Abbildung (b)), so fällt auf, dass neben der Gruppe der Erholungsnutzer auch die Vertreter der Stadtplanung die Erholung besonders hoch bewerten. Die Vertreter der Holzwirtschaft sehen neben der Erholung vor allem die Bereitstellung von Holz als wichtige Ökosystemleistung. Sehr ausgewogen bewerten hingegen die Forstleute, die Naturschutzgruppe und die Vertreter sonstiger Waldprodukte (Wildbret, Honig, Pilze, usw.) die verschiedenen Ökosystemleistungen.

Abbildung1 :Die Abbildung zeigt (a) die Zahl der vergebenen Punkte je Ökosystemleistung (max. 6 je Teilnehmer) aggregiert für die verschiedenen Divisionen der „Common International Classification of Ecosystem Services“ und (b) die Verteilung der Punkte auf die verschiedenen Ökosystemleistungen je Anspruchsgruppe.

Die Anzahl der in den Karten eingezeichneten Waldfunktionen bzw. Ökosystemleistungen sind für den Stadtwald Augsburg dargestellt. Der Stadtwald Augsburg stellt auf der ganzen Fläche immer mindestens drei Ökosystemleistungen (Abbildung, unten) gleichzeitig bereit (hellgrüne Flächen) und steigt an verschiedenen Bereichen des Waldes auf vier (gelb), fünf (orange) oder sechs (weinrot) an. Wir haben die Ergebnisse der Expertenkartierung mit den Waldfunktionsplänen[1] verglichen und stellen fest, dass dort tendenziell mehr Waldfunktionen ausgewiesen wurden (Abbildung, oben). Das liegt zum einen an zusätzlichen für die ganze Fläche ausgewiesenen Funktionen (z. B. lokaler Klima-, Immissions- und Lärmschutz sowie die Nutzfunktion auf der gesamten Waldfläche) sowie an den übernommenen Schutzkategorien wie Naturschutzgebiet oder Bannwald.

Abbildung 2: Die Abbildung zeigt die Vielfalt an Waldfunktionen (oben) und Ökosystemleistungen (unten. Die Farbe gibt die Anzahl der überlappend bereitgestellten Waldfunktionen und Ökosystemleistungen insgesamt und gemäß den Kategorien der „Common International Classification of Ecosystem Services“) (Kategorien: bereitstellend, regulierend und kulturell) sowie Biodiversität an.

Die Priorität bei den Ökosystemleistungen der Anspruchsgruppen liegt klar auf der Erholung, welche wahrscheinlich aufgrund der Unmittelbarkeit für viele Anspruchsgruppen gegeben war. Weniger unmittelbare Ökosystemleistungen wie Wasserschutz würden gegebenenfalls stärker berücksichtigt, wenn die Anspruchsgruppen eine umfassendere Einführung in mögliche Ökosystemleistungen bekommen hätten, die bewusst nicht gegeben wurde. Diese These wird auch dadurch gestützt, dass Forstleute mit entsprechender Vorbildung und Praxiserfahrung sehr ausgeglichen die Ökosystemleistungen priorisiert haben. Diese gleichmäßige Priorisierung reflektiert auch den gesetzlichen und planerischen Hintergrund der Waldfunktionen, der in Bayern eine Erfüllung aller ausgewiesen Waldfunktionen erfordert. Die Waldfunktionskartierung deckt sich weitgehend mit der expertenbasierten Kartierung der Ökosystemleistungen. Jedoch könnte eine Kartierung mit höherer räumlicher Auflösung stärkere Unterschiede identifizieren und auch Wechselwirkungen aufzeigen, die Priorisierung einzelner Leistungen auf lokaler Ebene erfordern würde. Dies könnte ein Abrücken vom Paradigma der Förderung der Multifunktionalität jedes einzelnen Waldbestandes erfordern. Der entwickelte Ansatz sollte sich grundsätzlich eignen, die Qualität und Repräsentativität von Planungsinstrumenten im land- und forstwirtschaftlichen Kontext zu testen.

Für die Waldbewirtschaftung liegt die Schwierigkeit darin, die klare Präferenz für einzelne Ökosystemleistungen (insbesondere Erholung) mit weniger expliziten (Wasserschutz, Klimaschutz) in Einklang zu bringen. Entsprechend sollte zukünftige Forschung prüfen, wie und auf welcher räumlichen Skala die Prioritäten verschiedener Anspruchsgruppen mit der Waldbewirtschaftung in Einklang zu bringen sind. Dies erfordert insbesondere eine höhere räumliche Auflösung und Differenzierung innerhalb von Landnutzungsklassen bei der Bewertung von Ökosystemleistungen.

Autoren

Dr. Markus Meyer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und bearbeitet im Rahmen eines Projektes Kuratoriums für forstliche Forschung den strategischen Forschungsschwerpunkt „Ökosystemdienstleistungen – Dialog mit der Gesellschaft“. Kontakt: markus.a.meyer@gmail.com

Christoph Schulz ist stellvertretender Leiter der Abteilung „Waldbesitz, Beratung, Forstpolitik“ der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Er leitet das Projekt „Prüfung des Konzeptes der Ökosystemdienstleistungen als forstliches Planungs- und Kommunikationsinstrument an einem Fallbeispiel“. Kontakt: christoph.schulz@lwf.bayern.de

Veröffentlichung:

Meyer, M.A. & Schulz, C. (2017). Do ecosystem services provide an added value compared to existing forest planning approaches in Central Europe? Ecology and Society 22(3):6. https://doi.org/10.5751/ES-09372-220306.

[1] Forstliche Fachplanung nach Artikel 5 des Bayerischen Waldgesetzes, Maßstab 1:50.000, siehe Waldfunktionsplan Region 9 Augsburg http://www.stmelf.bayern.de/wald/waldfunktionen/waldfunktionsplanung/054599/index.php

Bieten Ökosystemleistungsbewertungen einen Mehrwert gegenüber existierenden forstlichen Planungsinstrumenten?

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