Julian Rode

28. August 2017

geschrieben in ESP-DE Blog

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Diese Frage stellen sich beispielsweise Umweltbehörden und nicht-staatliche Umweltgruppen (NGOs), wenn es darum geht, Naturschutz in politischen Maßnahmen (z.B. Förderung ökologischer Landwirtschaftlich) oder Entscheidungen (wie z.B. eine Straße oder ein Staudamm durch ein Schutzgebiet zu bauen) angemessen zu berücksichtigen. Viele Akteure in Politik und Wissenschaft hegen derzeit große Hoffnungen, dass das Ökosystemleistungskonzept und die ökonomische Bewertung von Ökosystemleistungen (ÖSL) geeignet sind, den Wert des Naturschutzes für die Gesellschaft besser zu kommunizieren. Es gibt jedoch auch Vorbehalte gegenüber einer auf ÖSL basierenden Argumentation. In der – teilweise sehr ideologisch geführten – Debatte hört man dabei Aussagen wie „moralische Argumente haben versagt“, aber auch „monetäre Bewertung von ÖSL kann Umweltschutzbemühungen verringern“ (indem sie andere Argumente wie moralische Pflichten gegenüber Natur und zukünftigen Generationen schwächen). Empirische Evidenz bezüglich der Wirkung unterschiedlicher Argumente und Diskurse fehlt jedoch weitestgehend. Mit der in unserem Artikel beschriebenen Studie wollten wir an genau diesem Punkt ansetzen und die Wirksamkeit insbesondere der auf ÖSL und monetärer Bewertung basierenden Argumente beleuchten.

Über ProlificAcademic, eine sogenannte Recruiting-Plattform, die hilft Teilnehmer für wissenschaftliche Studien zu finden, nahmen 377 Teilnehmer zwischen 17 und 72 Jahren an der Studie teil (überwiegend aus UK und USA). Teilnehmer sollten ihre persönliche Meinung zu einem Staudammprojekt im bolivianischen Amazonas kundtun, im Rahmen (hypothetischer) Ratschläge an die bolivianische Regierung. Vor der Entscheidung für oder gegen den Damm wurden die Teilnehmer zufällig einer von acht Gruppen, sogenannten „Treatments“, zugeteilt. In den Gruppen wurden sie mit unterschiedlichen Argumentationslinien und Informationen zu den Umweltauswirkungen des Damms konfrontiert. Die folgende Graphik zeigt die Mittelwerte und 95% Konfidenzintervalle der einzelnen Gruppen (zwischen +3 für starke Zustimmung und – 3 für starke Ablehnung des Dammbaus).

Ergebnisse der Befragung: Teilnehmende konnten zwischen starke Zustimmung (+3) und starke Ablehnung (-3) wählen. Abgebildet sind die Mittelwerte der Abstimmungsergebnisse sortiert nach Gruppe.

Die Kontrollgruppe T0 (ganz links) erhielt nur Basisinformationen über das Dammprojekt sowie zu den ökonomischen Motiven hinter dem Projekt: Energiegewinnung und sehr rentabler Energieexport nach Brasilien. Hier stimmten die Teilnehmer tendenziell für den Dammbau (Mittelwert + 1,30). Die drei Gruppen (TES, T ES-, T ES+), die ausschließlich mit ÖSL Argumenten für den Naturschutz konfrontiert wurden, neigten insgesamt zu deutlich mehr Ablehnung des Damms als die Kontrollgruppe T0. Es machte jedoch einen Unterschied, ob ÖSL lediglich qualitativ beschrieben wurden (TES; -0,91) oder ob zusätzlich eine Kosten-Nutzen-Analyse mit monetärer Bewertung der relevanten ÖSL gezeigt wurde. Sprachen die monetären Ergebnisse gegen den Damm, so führte das zu mehr Ablehnung (T ES-; -1,41) als monetäre Ergebnisse, die den Damm positiv bewerteten (T ES +; -0,44). Ein auf moralisch-ökologischen Argumenten basierender Naturschutzdiskurs verringerte die Zustimmung für den Damm durchschnittlich noch mehr (T M; -1,74) und die Kombination der Argumente konnte die Zustimmung bis auf durchschnittlich -2,11 drücken (T MES, T MES-). Interessanterweise wurden die Entscheidungen von Männern und von älteren Teilnehmern besonders stark vom Ergebnis der monetären ÖSL Bewertung beeinflusst, sprich für diese Teilnehmer waren die Unterschiede in den Entscheidungen zwischen T ES- und TEX+ besonders groß.

Wir folgern aus diesen Ergebnissen zum einen, dass sich die teilweise verhärteten Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der ÖSL-basierten Argumente darauf besinnen sollten, dass sie im Endeffekt das gleiche Ziel haben. Alle Argumente für den Naturschutz sind besser, als wenn die Debatte von rein wirtschaftlichen Kriterien dominiert wird, wie in unserer Kontrollgruppe. Unsere Ergebnisse sprechen jedoch auch dafür, dass bei aller Begeisterung für das ÖSL-Konzept die moralischen Argumente auf jeden Fall mit in die öffentlichen Debatten zu umweltpolitischen Maßnahmen und Entscheidungen eingebracht werden sollten, da auch sie vielen Menschen sehr überzeugende Gründe für den Naturschutz liefern.

Im Artikel diskutieren wir im Anschluss die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Kontexte und Bevölkerungsgruppen (z.B. könnten direkt Betroffenen eines Infrastrukturprojekts andere Argumente überzeugend finden als nicht direkt betroffene) sowie die Tatsache, dass wir hier nichts über die langfristigen Effekte unterschiedlicher Umweltdiskurse auf menschliche Einstellungen und Denkweisen aussagen können. Wir hoffen, dass unsere Studie auch einen Impuls für weitere empirische Forschung zu diesem Thema gibt.

Autor:

Julian Rode arbeitet am Department Umweltpolitik des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Seine Forschung beschäftigt sich mit umweltrelevanten Werten und Entscheidungen sowie deren Implikationen für die Gestaltung umweltpolitischer Maßnahmen. Zu diesen Themen arbeitet er vorzugsweise mit empirisch-experimenteller Forschung und er berät internationale Projekte und Initiativen in den Bereichen Naturschutz und Entwicklungskooperation.

Veröffentlichung:

Rode, J., Le Menestrel, M., Cornelissen, G., 2017. Ecosystem Service Arguments Enhance Public Support for Environmental Protection – But Beware of the Numbers! Ecol. Econ. 141, 213–221. doi:10.1016/j.ecolecon.2017.05.028

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