Janina Kleemann, Aletta Bonn

1. April 2020

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Unsere Welt ist international vernetzt – nicht nur digital, sondern auch strategisch, ökonomisch, und biologisch. Auch Ökosystemleistungen können weite Wege von der Bereitstellung bis zur finalen Nutzung zurücklegen. Durch die Nachfrage hat der Empfänger Einfluss auf weit entfernte Ökosysteme, welche die Ökosystemleistung bereitstellt. Über diese teilweisen globalen Auswirkungen unseres Konsums und unserer Entscheidungen sind wir uns oft nicht bewusst. In nationalen Bewertungen von Ökosystemleistungen werden oft nur die Ökosystemleistungen innerhalb der eigenen Grenzen eingerechnet, aber wir nutzen in vielen Fällen auch weit entfernte Ökosystemleistungen. Zum Beispiel kann der Kakao unserer geliebten Schokolade nicht in Deutschland angebaut werden, sondern wird größtenteils aus Westafrika importiert.

In einer internationalen Forschergruppe haben wir zusammen mit Mitarbeiter*innen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der Vrije Universität Amsterdam, der Universität des Bundesstaates Michigan, der Universität von Arizona, und weiteren renommierten Institutionen exemplarisch die Ströme von verschiedenen Ökosystemleistungen von und nach Deutschland quantifiziert, um in Zukunft verlässlichere Aussagen zur globalen Verantwortung einzelner Länder treffen zu können. Unsere Forschergruppe hat vier Typen von Ökosystemleistungsströme untersucht und diverse Methoden getestet. In den vorherigen Studien Schröter et al. (2018) und Köllner et al. (2019) wurden die internationalen Ströme von Ökosystemleistungen in a) Ströme durch wandernde Arten, b) passive biophysikalische Ströme, c) Handelsströme, und d) Informationsströme unterteilt, sowie Methoden zur Analyse und Bewertung entwickelt. Ökosystemleistungsflüsse ergeben so Gemeinsamkeiten zwischen den Fallstudien für a) Zugvögel, b) Hochwasserschutz, c) Kakao und d) Pandas in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen:

a) Viele Zugvogelarten, die zwischen Deutschland und (sub-)tropischen Klimazonen in Afrika ziehen (Abbildung 1), leisten einen Beitrag in der Schädlingsbekämpfung auf deutschen Agrarflächen.

b) Im Hochwasserschutz profitiert Deutschland zu 64% von der Hochwasserregulierung durch Auen, die flussaufwärts in angrenzenden Nachbarländern liegen, aber Deutschland selbst exportiert auch ca. 40 % in die Nachbarländer flussabwärts.

c) Obwohl Deutschland überwiegend Kakao aus Ghana und der Elfenbeinküste importiert (rund 53%), sind die negativen Folgen für die biologische Vielfalt in den Kakaoanbauländern Kamerun und Ecuador am stärksten.

d) Die chinesischen Pandas im Berliner Zoo stehen für eine „Panda-Diplomatie“ zwischen Deutschland und China, wo Pandas von der chinesischen Regierung als Mittel zur Stärkung politischer und diplomatischer Beziehungen zu anderen Nationen genutzt werden.

Die Studie zeigt, dass die interregionalen Ökosystemleistungsflüsse für Deutschland sehr vielfältig sind und dass es möglich ist, diese unterschiedlichen Ökosystemleistungstypen weitgehend zu quantifizieren. Das Wissen kann dazu beitragen, geeignete politische Instrumente zu entwickeln, welche die externen Effekte von Ökosystemleistungen besser berücksichtigen. Zudem zeigt die Studie einen Weg auf, über den verschiedene Fernwirkungen in nationale Ökosystembewertungen miteingerechnet werden können. Länder wie Deutschland haben eine globale Verantwortung für den Erhalt der Biodiversität und den Schutz von Ökosystemen.

Abbildung 1: Lebensraum der Zugvogelarten außerhalb Deutschlands, die zur Schädlingsbekämpfung auf deutschen Agrarflächen beitragen
Autorinnen:

Dr. Janina Kleemann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Fachgebiet Nachhaltige Landschaftsentwicklung. Link: https://www.geo.uni-halle.de/nala/mitarbeiter/janinakleemann/

Prof. Dr. Aletta Bonn leitet am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Department Ökosystemleistungen. Link: https://www.ufz.de/index.php?en=40343

Publikation (Open Access):

Kleemann, J., Schröter, M., Bagstad, K.J., Kuhlicke, C., Kastner, T.,  Fridman, D., Schulp, CJ.E., Wolff, S., Martinez-Lopez, J., Koellner, T.,  Arnhold, S., Martin-Lopez, B., Marques, A., Lopez-Hoffman, L., Liu, J.,  Kissinger, M., Guerra, C.A., Bonn, A. (2020): Quantifying interregional  flows of multiple ecosystem services – A case study for Germany. Global Environmental Change, 61, 102051.  https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2020.102051  

Zitierte Literatur:

Koellner, T., Bonn, A., Arnhold, S., Bagstad, K.J., Fridman, D., Guerra, C.A., Kastner, T., Kissinger, M., Kleemann, J., Kuhlicke, C., Liu, J., López-Hoffman, L., Marques, A., Martín-López, B., Schulp, C.J.E., Wolff, S., Matthias Schröter, M. (2019): Guidance for assessing interregional ecosystem service flows. Ecol. Indic. 105, 92–106. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2019.04.046.

Schröter, M., Koellner, T., Alkemade, R., Arnhold, S., Bagstad, K.J., Erb, K.-H., Frank, K., Kastner, T., Kissinger, M., Liu, J., López-Hoffman, L., Maes, J., Marques, A., Martín-López, B., Meyer, C., Schulp, C.J.E., Thober, J., Wolff, S., Bonn, A. (2018): Interregional flows of ecosystem services: concepts, typology and four cases. Ecosyst. Serv. 31 (B), 231–241. https://doi.org/10.1016/j.ecoser.2018.02.003.

Die Fernwirkungen der Ökosystemleistungen in Deutschland

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