Petra Schneider

4. Dezember 2017

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

Schlagwörter:             

Nachhaltigkeitsbewusstsein spielt eine entscheidende Rolle bei der praktischen Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsstrategien in einer globalisierten Welt. Die Einrichtungen der höheren Bildung haben im Rahmen ihres Bildungsauftrags unter dem vierten Ziel für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal (SDG) (Hochschulbildung und lebenslanges Lernen) eine besondere Verantwortung die Grundlagen nachhaltigen Handels zu vermitteln. Einen maßgeblichen Gegenstand bildet in diesem Zusammenhang die Entwicklung von naturnahen Systemen im Einklang mit ökologischen Prinzipien, wobei menschliche Aktivitäten in die natürliche Umwelt zum Nutzen beider integriert werden. Die Studienrichtung, die sich an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit diesen Fragestellungen beschäftigt, ist der Masterstudiengang Ingenieurökologie (Ecological Engineering).

Die Ingenieurökologie befasst sich sowohl mit den grundlegenden ökosystemaren Prozessen als auch den ingenieurtechnischen Lösungen, die zur Verbesserung der Nachhaltigkeit führen, und zwar auf allen Skalen, d.h. von der mikroskopischen Skala bis zur Wasserscheide und darüber hinaus. Der Nachhaltigkeitsanspruch soll dabei ein Gleichgewicht der drei Dimensionen einer Gesellschaft berücksichtigen: die ökologische, ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Umweltprobleme entwickelte sich diese auf ingenieurtechnischen Prinzipien basierende neue Wissenschaftsdisziplin schnell. Die grundlegende Idee der Ingenieurökologie wurde bereits in den frühen 1960er Jahren durch Odum und Kollegen (1963) dargelegt, die breitere Anerkennung als neues Paradigma ist allerdings relativ neu und entwickelte sich daher in den letzten 10 Jahren rasant.

Der seit dem Jahr 2002 an der Hochschule Magdeburg-Stendal existierende der Masterstudiengang Ingenieurökologie steht derzeit kurz vor dem Abschluss des 2. Re-Akkreditierungsprozesses. Das Inkrafttreten des neuen Curriculums ist für das Sommersemester 2018 geplant. Im Rahmen der Re-Akkreditierung wurde die Chance genutzt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre zu den Themenfeldern Integriertes Ressourcenmanagement, Biodiversität und Ökosystemleistungen, dem Wasser-Energie-Lebensmittel-Ökosystem Nexus und kreislaufwirtschaftlichen Ansätzen in allen Sektoren in praktischer Art und Weise in das Curriculum einzuarbeiten. Die Studierenden erlernen somit die praktische Umsetzung nationaler und globaler Ressourceneffizienzkonzepte unter dem Dach des Nachhaltigkeitsprinzips. Die Struktur des aktualisierten Curriculums und die dem Curriculum zugrundliegenden wissenschaftlichen und didaktischen Prinzipien können Schneider & Lüderitz (2017) entnommen werden.

Die Ingenieurökologie steht an der Schnittstelle zwischen Renaturierungsökologie und Industrieökologie und hat auf diese Weise grundlegende Bezüge zum intersektoralen Management von Wasser, Boden und Ökosystemen. Sie bildet nicht nur eine transdiziplinäre Schnittstelle, sondern auch die zukunftsorientierte Umsetzungsmethodik ingenieurtechnischer Planungen auf der Basis naturwissenschaftlicher und ökologischer Prinzipien, wie sie beispielsweise für die Umsetzung der EU-Strategie zur Grünen Infrastruktur von 2013 politisch orientiert wurde (European Commission, 2013). Im Rahmen der Ingenieurökologie werden hier praktische Schritte zur Implementierung des Integrierten Ressourcenmanagements unternommen, welches eine Nachhaltigkeitsstrategie in der Ressourcenbewirtschaftung bildet. Wesentlich hierbei ist die Vernetzung aller relevanten Sektoren, weshalb wir ingenieurökologische Lösungsansätze wie den Wasser-Energie-Lebensmittel-Ökosystem Nexus als Fokus in Lehre und Forschung verfolgen. Ziel ist dabei die praktische intersektorale Vernetzung des Ressourcenmanagements auf Einzugsgebietsebene und die Ausnutzung von Strategien Nutzen zu teilen (benefit-sharing) zur optimalen Einzugsgebietsentwicklung unter Einbezug aller Stakeholder.

Die Umsetzung derartiger intersektoral vernetzter Nachhaltigkeitskonzepte läuft in der Praxis nicht selten ins Leere, da a) die Verlinkung der Sektoren auf Grund konkurrierender Nutzungsansprüche eine signifikante Herausforderung darstellt, b) die Verlinkungsmechanismen bisher noch Gegenstand der Forschung sind, und c) bisher quantifizierbare Indikatoren für die Schnittstellen fehlen. Wir verfolgen hierzu das Konzept der Entwicklung ökobilanzieller Ansätze für Ökosystemleistungen, da wir Ökosystemleistungen als die zentralen Schnittstellen zwischen den Sektoren ansehen. Den Rahmen dafür bildet der Wasser-Energie-Lebensmittel-Ökosystem Nexus als ein Instrument für die nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die Motivation der involvierten Akteure der verschiedenen Sektoren durch die gezielte Schaffung von Win-Win-Situationen unter dem Dach der Ökosystemleistungen. Dadurch wird es möglich, die Beziehung zwischen Ressourcen im Rahmen einer multisektoralen Ressourcenplanung und -verwaltung zu verstehen und zu bewerten. Die Bewertung basiert auf dem Benefit Shed (Einzugsgebiet mit Vorteilsausgleich), welches in Zusammenarbeit mit der United Nations University, dem Institute for Integrated Management of Material Fluxes and of Resources (UNU Flores) entwickelt wurde (Avellan et al. 2017).

Ein Benefit Shed ist ein Punkt in einem Ressourcenfluss, wo eine Wechselwirkung zwischen mindestens zwei Systemen offensichtlich ist, ein Nexus-System bildend, das darauf abzielt, Nutzen für die beteiligten Interessengruppen durch erhöhte Effizienz aufzudecken. Diese Nexus-Systeme können Wasser-Boden-Abfall Systeme oder Wasser-Energie-Lebensmittel-Ökosystem Systeme sein. Übergeordnetes Ziel ist die Verringerung anthropogener Auswirkungen und Verbesserung von Ökosystemleistungen durch die Umsetzung kreislaufwirtschaftlicher Ansätze auf Einzugsgebietsebene. Die Entwicklung ökobilanzieller Ansätze für Ökosystemleistungen zielt auf die Analyse der Anwendbarkeit von Stoffstromanalysen zur Bewertung der Verlinkungs-Prinzipien der Ressourcen und zur Untersuchung der Interdependenzmechanismen ab. Hier schließt sich dann auch der Kreis zur Raumplanung: durch die Entwicklung ökobilanzieller Ansätze für Ökosystemleistungen soll die Analyse der Planungsoptionen für Grüne Infrastruktur auf Einzugsgebietsebene quantifizierbar werden.

Ansprechpartnerin:

Petra Schneider ist Professorin für Internationale Wasserwirtschaft und Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs „Ingenieurökologie“ an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Die Re-Akkreditierung des Studiengangs fand im Zeitraum 2016 – 2017 statt, das neue Curriculum startet im Sommersemester 2018. Studieninteressierte sind herzlich willkommen. Wir sind Mitglied im Inter-University Sustainable Development Research Programme (IUSDRP).

E-Mail: petra.schneider@hs-magdeburg.de

Publikationen:

Schneider, P.; Lüderitz, V. (2018): Integration of Ecosystem Services as Part of the Nexus Approach into the Applied Teaching of Ecological Engineering, in: Leal, W. (Eds.) “Handbook of Sustainability Science and Research. World Sustainability Series”, pp 369-387, https://doi.org/10.1007/978-3-319-63007-6_22, ISBN: 978-3-319-63006-9 (first online)

Open access:

Avellan, T.; Roidt, M.; Emmer, A.; von Koerber, J.; Schneidera, P.; Raber, W. (2017): Making the Water-Soil-Waste Nexus work: Framing the boundaries of resource flows; Sustainability 2017, 9, 1881; doi: 10.3390/su9101881.

Integration von Ökosystemleistungen als Teil des Nexus-Ansatzes in der angewandten Lehre

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte, dass Kommentare gemäß unseren Richtlinien für Kommentare moderiert werden.
Ich habe die Bedingungen der Datenschutzerklärung gelesen und stimme zu *