Sven Lautenbach und Martin Volk

24. Januar 2019

geschrieben in ESP-DE Blog

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Die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen zu Ökosystemleistungen weist seit Jahren einen rasanten Anstieg auf. Auch das Interesse aus Planung und Verwaltung, Wirtschaft sowie der Öffentlichkeit an diesem Thema wächst. Initiativen wie IPBES, ELD, WAVES oder TEEB werten Ergebnisse einer Vielzahl von Studien aus, um darauf aufbauend Empfehlungen zum Erhalt oder zur Verbesserung von Ökosystemleistungen abzuleiten. Die Qualität solcher Empfehlungen hängt jedoch zwangsläufig davon ab, wie gut die einzelnen Studien durchgeführt worden sind, ob für die Anwendung relevante Aspekte behandelt wurden und ob das Design der Studien für das Anwendungsgebiet thematisch und räumlich überhaupt geeignet ist.

Dieser Frage sind wir mit einer systematischen Analyse von insgesamt 504 relevanten Artikeln nachgegangen. Angesichts der bereits erwähnten hohen und ständig wachsenden Anzahl von Veröffentlichungen konnten wir nicht alle Artikel analysieren, sondern haben uns auf eine repräsentative Stichprobe gestützt. Jeder Artikel wurde mittels einer Reihe von Kriterien bewertet.

Räumliche Verteilung der Studien in der Stichprobe. Die Größe der Länder reflektiert die Anzahl von Studien je Land. Länder, für die in der Stichprobe keine Studien vorlagen sind nicht dargestellt. Deutlich zu erkennen ist, dass die EU, die USA und die Volksrepublik China relativ viele Studien aufweisen, während viele Länder in Afrik, Lateinamerika und des restlichen Asien nur schlecht repräsentiert sind.

Unsere Ergebnisse zeigen u.a. dass:

  • …die räumliche Verteilung der Fallstudien sehr ungleich ist. Während viele Studien für die EU, die USA und China vorliegen, sind viele Länder weltweit relativ wenig bis gar nicht untersucht. Dies bedeutet, dass bei Schlüssen für die globale Skala Vorsicht geboten ist.
  • …auch die Abdeckung der einzelnen Ökosystemleistungen sehr ungleich ist und nicht unbedingt die vermutete Bedeutung der Leistungen adäquat widerspiegelt. Dies lässt vermuten, dass auch bei der Bewertung der Auswirkungen von Zielkonflikten („Trade-offs“) auf oder zwischen Ökosystemleistungen Vorsicht geboten ist, da die Datenbasis nicht für alle Leistungen ausreichend ist.
  • …Datenauswertungen, Modellanalysen und Befragungsergebnisse stets mit Unsicherheiten behaftet sind, was bedeutet, dass auch daraus abgeleiteten Entscheidungen unter Unsicherheit erfolgen. Die Unsicherheit der Ergebnisse in den Fallstudien wird oftmals nicht quantifiziert, was folglich ein Problem für die Entscheidungsfindung darstellt.
  • …Zielkonflikte und Wechselwirkungen zwischen einzelnen Ökosystemleistungen nur selten berücksichtigt werden. Damit werden komplexe Zusammenhänge wahrscheinlich stark vereinfacht dargestellt, was die Aussagekraft für Folgenabschätzungen („Impact Assessments“) deutlich einschränkt.
  • …viele Fallstudien den gegenwärtigen Zustand der sozio-ökologischen Systeme untersuchen. Wir müssen jedoch davon ausgehen, dass sich sowohl die naturräumlichen als auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in der Zukunft ändern werden (Klimawandel, Veränderungen der Konsumgewohnheiten, demographischer Wandel, politische Steuerung wie z.B.- die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, etc.). Damit können diese Studien nur bedingt Entscheidungen für die Zukunft unterstützen.
  • …Fernwirkungen von Managementeingriffen äußerst selten thematisiert werden. Wir müssen jedoch in vielen Fällen davon ausgehen, dass lokale oder regionale Entscheidungen andere Regionen in der Welt beeinflussen, z.B. in Form von indirektem Landnutzungswandel. So hat die Bioenergiepolitik der EU massive Auswirkungen auf viele Regionen weltweit gehabt. Zudem hat die Entscheidung der chinesischen Regierung ihre Wälder stärker zu schützen dazu geführt, dass es zu zunehmenden Holzeinschlägen in Südost-Asien gekommen ist.
  • …für die räumliche Darstellung der Ergebnisse („mapping of ecosystem services“) Informationen zur Konfiguration der Landschaft oder zur Intensität der Landnutzung nur in wenigen Fällen verwendet wurden. Die stattdessen verwendeten Informationen unterstellen damit i.d.R. einen einfachen Zusammenhang zwischen Landnutzungstyp und Ökosystemleistung.
  • …sich die Mehrzahl der Studien mit der Bereitstellung von Ökosystemleistungen beschäftigt, ohne die Nachfrage zu berücksichtigen.
  • …nur etwa 40% der Studien Entscheidungsträger mit einbeziehen und die Wirkung von Politikinstrumenten nur in wenigen Studien untersucht wird. Nur wenige Studien geben  Empfehlungen für Planung oder Management. Aus Sicht der Praxis stellt dies folglich einen massiven Mangel dar.
  • Weiterhin zeigt sich, dass es deutliche Unterschiede zwischen Studien gibt, die verschiedene Gruppen von Ökosystemleistungen untersuchen.

Um zu belastbareren Aussagen zu kommen und dem Anspruch des Ökosystemleistungskonzeptes gerecht zu werden, praxisrelevante Erkenntnisse zu erzeugen, sollte bereits bei der Konzeption neuer Studien berücksichtigt werden, wie man bisher unterrepräsentierte Bereiche berücksichtigen kann. Um spezifische Empfehlungen für die Praxis zu geben, muss das Design der Studie praxisrelevante Aspekte berücksichtigen. Um diesen Prozess zu stimulieren, haben wir im Artikel eine Reihe kritischer Fragen zusammengestellt, anhand dessen ein Konzept kritisch beleuchtet werden kann.

Zugehörige Veröffentlichung:

Lautenbach, S., Mupepele, A.-C., Dormann, C. F., Lee, H., Schmidt, S., Scholte, S. S.K., Seppelt, R., van Teeffelen, A. J.A., Verhagen, W., Volk, M. (2019): Blind spots in ecosystem services research and implementation. Regional Environmental Change, doi.org/10.1007/s10113-018-1457-9

Wo steht die Forschung zu Ökosystemleistungen?

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