Barbara Schröter & Christan Albert

23. August 2021

geschrieben in ESP-DE Blog

Flusslandschaften stehen vor großen Herausforderungen, denn mehr als die Hälfte aller Flüsse in Deutschland sind durch den Menschen durch Baumaßnahmen wie Flussbegradigungen, Stauungen, Trockenlegungen von Feuchtgebieten oder der Bau von Deichen erheblich verändert worden. Dies hat nicht nur die Verschlechterung des ökologischen Zustands der Flüsse zur Folge, der sich z.B. in verstärkter Erosion, Abnahme und Verschmutzung des Grundwassers, Rückgang der Artenvielfalt sowie Verlust von Ästhetik und Erholungsfunktionen zeigt. Heutige Flusslandschaften sind den zunehmenden Extremereignissen, der Ressourcenknappheit und dem Biodiversitätsverlust kaum gewachsen. Der Klimawandel erhöht das Risiko von Überschwemmungen und Trockenheit. Oftmals können diese Flüsse wichtige Funktionen, wie das Abmildern von Hochwasserereignissen oder das Ausgleichen von Wassermangel bei Trockenheit, nicht mehr ausreichend erfüllen.

Naturbasierte Lösungen bieten konkrete und langfristige Umgangsmöglichkeiten mit diesen gesellschaftlichen Herausforderungen, indem sie natürliche ökologische Funktionen

fördern und nutzen. Ein Beispiel ist die Renaturierung von Flussauen, die dazu beitragen kann, Hochwasserspitzen zu vermindern.

Um Flussgebiete nachhaltig zu entwickeln, die genannten Herausforderungen anzugehen und dabei die Ansprüche von Mensch und Natur zu berücksichtigen hat die Forschungsgruppe PlanSmart einen Rahmen zur Planung und Umsetzung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften entwickelt,  indem sie Erkenntnisse aus der Literatur und einer Fallstudie in der Flusslandschaft der Lahn in Deutschland zusammenführt. Der Rahmen bezieht sich auf drei Schlüsselkriterien, die naturbasierte Lösungen definieren, und besteht aus sechs Planungsschritten. Die Schlüsselkritierien beinhalten, dass es sich um Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen handeln muss, die dabei Ökosystemprozesse nutzen und in der Praxis umsetzbar sind. Naturbasierte Lösungen bewältigen die genannten Herausforderungen mithilfe von Ökosystemprozessen blau-grüner Infrastrukturen, also räumlich miteinander verbundene, strategisch geplante und genutzte Netzwerke aus wasser- (blauen) und bodenbasierten (grünen) Landschaftselementen, die eine Vielzahl von Ökosystemleistungen erbringen. Um in der Praxis umgesetzt werden zu können müssen naturbasierte Lösungen in sogenannte Governance- und Geschäftsmodelle eingebunden werden. Governancemodelle sind in diesem Sinne ideale Konstellationen zwischen verschiedenen Akteur*innen und institutionellen Strukturen (das heißt Regeln und Regelungssysteme) auf verschiedenen Ebenen des Staates (zum Beispiel Bundesstaat, Bundesland, Kreise, Gemeinden), welche die Umsetzung von geeigneten Maßnahmen steuern. Geschäftsmodelle beschreiben dagegen, auf welche Weise naturbasierte Lösungen finanziert werden können, das heißt, welche Werte die Realisierung von naturbasierten Lösungen vorantreiben können und welche Akteur*innen bereit sind, für diese Werte zu bezahlen.

Quelle: Metronom Leipzig/Schröter et. al. (2021

 

 

Naturbasierte Lösungen in Flusslandschaften können in sechs Schritten geplant werden, die als zeitliche Abfolge miteinander kombiniert werden können, wobei je nach Kontextbedingungen die Reihenfolge veränderbar ist, Schritt wiederholt  oder auch ausgelassen werden können.

Im ersten Schritt, den Projektrahmen gemeinsam definieren, wird der Bezugsrahmen geklärt und die gesellschaftlichen Herausforderungen, Ziel und Prozesse der Planung definiert. Im zweiten Schritt, gesellschaftliche Herausforderungen verstehen, werden die spezifischen Herausforderungen, die adressiert werden sollen, genauer identifiziert. Im dritten Schritt, Visionen und Szenarien entwickeln, werden naturbasierte Lösungen ermittelt und räumlich verortet. In Schritt 4, mögliche Auswirkungen abschätzen, werden potenzielle Kosten und Nutzen von bestehenden oder neu zu entwickelnden naturbasierten Lösungen bewertet, bevor in Schritt 5, Umsetzungsstrategien entwickeln, passende Governance- und Geschäftsmodelle für die Umsetzung bevorzugter naturbasierter Lösungen entwickelt werden. Im sechsten Schritt, Umsetzen und Beobachten, werden die Lösungen realisiert und ihre Wirksamkeit über überwacht.

 

Die Lahn. Quelle: Thomas Kettler

Die Umsetzung dieser Planungsschritte wird von fünf Prinzipien geleitet, nämlich Ortsspezifität, Evidenzbasis, Integration, Gerechtigkeit und Transdisziplinarität. Die Planung sollte in Zusammenarbeit von  Wissenschaft und Praxis (Transdisziplinarität) erfolgen und die Interessen aller Akteur*innen  berücksichtigen (Gerechtigkeit). Verschiedene Ansätze und Methoden sollte im Planungsprozess kombiniert werden (Integration), und lokale Bedingungen ebenso berücksichtig werden (Ortsbezogenheit) wie der aktuelle Wissensstand zum Thema (Evidenzbasierung).

 

Verschiedene Methoden, wie z.B. Stakeholder- und soziale Netzwerkanalysen, Multikriterielle Analyse, Partizipative GIS-Umfragen, verhaltensökonomische Experimente und die räumliche Bewertung von Ökosystemleistungen, unterstützen die Umsetzung der Planungsschritte.

PlanSmart hat diese Erkenntnisse sowohl in einem wissenschaftlichen Artikel veröffentlicht, als auch in einem Handbuch für Praktiker*innen aufbereitet. Letzteres wird von einem Online-Toolkit unterstützt, das hier abgerufen werden kann: PlansmartUniBochum

Referenz

Keine.

Veröffentlichung

 

Albert, C., Brillinger, M., Guerrero, P. et al. Planning nature-based solutions: Principles, steps, and insights. Ambio 50, 1446–1461 (2021). https://doi.org/10.1007/s13280-020-01365-1

 

Schröter, B., Brillinger, M., Gottwald, S., Guerrero, P., Henze, J., Ott, E., Schmidt, S., Albert, C. (2021) Planung naturbasierter Lösungen in Flusslandschaften: ein Handbuch für die Praxis. oekom, München. https://doi.org/10.14512/9783962388485

Die Planung naturbasierter Lösungen für Flusslandschaften: Schlüsselkriterien, Planungsschritte und Umsetzungsprinzipien

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