Dr. Leena Karrasch, COAST, Universität Oldenburg

15. Dezember 2016

geschrieben in ESP-DE Blog

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Seit einigen Jahren arbeite ich in einem Forschungsprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat umsetzungsfähige Strategien zur Anpassung an den Klimawandel für Küstenregionen zu entwickeln. Diese Strategien basieren auf ökologischen, ökonomischen und sozialwissenschaftlichen Analysen. Um das Ziel zu erreichen ist es wichtig, die Wechselwirkungen zwischen Landmanagement und Ökosystemdienstleistungen zu verstehen. Des Weiteren entwerfen wir im Forschungsprojekt konkrete Handlungsoptionen, die eine nachhaltige Nutzung dieser Landschaften sicherstellen. Denn der Klimawandel wird vielfältige Auswirkungen auf die Küstenregionen haben. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, sich frühzeitig mit alternativen Lösungen zu den heute eher technisch geprägten Anpassungen zu beschäftigen.

Der Pilsumer Leuchtturm – das Wahrzeichen der Krummhörn Copyright: Leena Karrasch

Anpassungsmaßnahmen führen nicht nur zu Veränderungen von Ökosystemen und ihrem Potential Ökosystemdienstleistungen bereitzustellen. Es sind auch immer die Menschen, die in der Region leben, von Landnutzungsveränderungen betroffen. Deswegen ist es unerlässlich, lokale Experten und Entscheidungsträger in die Entwicklung von Anpassungsstrategien und Entscheidungsprozessen einzubeziehen.

Daher haben wir an der ostfriesischen Nordseeküste in der Gemeinde Krummhörn eine Expertengruppe, die „Regionalgruppe Krummhörn“, ins Leben gerufen. In dieser Gruppe sind Entscheidungsträger von bestimmten Interessengruppen (Sektoren) vertreten. Dazu zählen Vertreter des Wasser- und Küstenmanagements, der Landwirtschaft, des Naturschutzes, der Regionalpolitik und -planung und des Tourismus. Die Einbindung von Interessenvertretern (Stakeholder) ist ein notwendiger Teil für interaktives Lernen. Es wird gemeinsam an einem Ziel gearbeitet und die Stakeholder bringen ihr Wissen in den Forschungsprozess ein. Gemeinsam gelingt so eine erfolgreiche Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis und ein Co-Design des Landmanagements.

Doch wie lässt sich das Konzept der Ökosystemdienstleistungen in solche Gruppen einbringen? Und wie bringe ich Menschen dazu, Ökosystemdienstleistungen zu bewerten? Wie oft wurde mir die Frage gestellt: „Ökosystem…..Was?!“ Unzählige Male…

Die Bewertung von Ökosystemdienstleistungen fällt nicht nur uns Wissenschaftlern schwer. Während meiner Arbeit mit der Regionalgruppe Krummhörn hat sich herausgestellt, dass es für die Beteiligten einfacher ist die Landnutzung zu bewerten. In der Krummhörn ist die Landnutzung sehr stark mit Ökosystemdienstleistungen verbunden. Sie spielt zudem eine große gesellschaftliche Rolle und ist von Traditionen geprägt. Der Brückenschlag zur Anwendung des Konzepts der Ökosystemdienstleistungen gelingt in diesem Beispiel über zwei Erklärungsansätze: zum einen kann über die bestehende Landnutzung an realen Beispielen erklärt werden, was Ökosystemdienstleistungen sind und wie wir sie nutzen. Zum anderen spielen die gesellschaftlichen Einflüsse eine große Rolle: womit verdiene ich mein Geld? Was trägt dazu bei, dass ich mich sicher fühle? Was beeinflusst mein Heimatgefühl? Wie nutze ich die Natur, um bestimmte Situationen zu erhalten? Die Antworten führen uns automatisch zu Ökosystemdienstleistungen: Nahrungsmittelproduktion ist eine Einkommensquelle, Wasserspeicherflächen dienen als Überflutungsschutz, das Vorhandensein bestimmter Naturräume führt zu einem Verbundenheitsgefühl und das Anpflanzen von Schilf an Gewässerrändern zur Vermeidung von Erosion (um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen).

Das Schilf wird auf Kokosmatten gezogen, um später an den Grabenrändern angepflanzt zu werden um Erosion zu vermeiden. Copyright: Leena Karrasch

Für unsere Bewertung haben wir drei unterschiedliche Kategorien genutzt. In der ersten Kategorie wurde die Landschaft in kleine Einheiten (Landnutzungselemente) eingeteilt. Jedes dieser Landnutzungselemente wird landwirtschaftlich oder wasserbaulich genutzt und die Flächen können ökonomisch in Wert gesetzt werden. In der zweiten Kategorie wurde das Konzept der Ökosystemdienstleistungen direkt angewendet. Bewertet wurde hier, wie hoch die Bedeutung von Landnutzungselementen für bestimmte Ökosystemdienstleistungen ist und andersherum. Um die dritte Kategorie zu bestimmen, haben die Stakeholder ihre Präferenzen der Stakeholder zu einzelnen Landnutzungselementen und Ökosystemdienstleistungen abgegeben. Je nach der angestrebten Zukunftsvision verändert sich die räumliche Ausdehnung der Landnutzungselemente. Alle Werte wurden auf die unterschiedliche zukünftige Landnutzungsoptionen übertragen. Dadurch kann eine Verrechnung stattfinden. Diese sogenannte multikriterielle Analyse der Werte ermöglichte, verschiedene Bewertungsansätze miteinander zu verbinden.

Besonders wichtig war im gesamten Prozess, dass von der wissenschaftlichen Seite eine verständliche Sprache verwendet wurde. Die verschiedenen Stakeholder haben unterschiedliche Hintergründe und kennen sich somit in unterschiedlichem Maße mit bestimmten Fachbegrifflichkeiten aus. Das Einbinden von Bildmaterial ist hilfreich zur Erklärung bestimmter Sachverhalte. Meine Erfahrung zeigt, dass wenn beispielsweise Präferenzen erfragt oder Planungen vorgenommen werden sollen, es hilfreich ist spielerische Elemente in die Befragungen einzuflechten. Ist eine langfristige Zusammenarbeit mit denselben Akteuren der Region gewünscht, so muss die Motivation aufrechterhalten werden. Ein ganz wichtiger Teil ist das Geben von Feedback sowie eine stetige und transparente Weitergabe von Informationen.

Die Ergebnisse unseres Forschungsprojekts sind sehr vielfältig. In Bezug auf Ökosystemdienstleistungen lässt sich sagen, dass Bewusstseinsbildung und Lernprozesse bei den Stakeholdern stattgefunden haben. Und letztendlich fand eine Einigung statt. Die Einsicht, dass wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen und damit schon heute anfangen müssen, ist erfolgt. Damit geht einher, dass technische Lösungen zum Überflutungsschutz nicht immer zu empfehlen sind. Indem wir Wasserrückhalteflächen (Polder) schaffen, die Binnenüberflutungen verhindern, werden viele Ökosystemdienstleistungen gestärkt, auch wenn eine intensive landwirtschaftliche Nutzung in den Bereichen nicht möglich sein wird. Das Wasser der Polder kann zur Bewässerung in trockenen Sommermonaten oder zur Viehtränke genutzt werden. An den Randbereichen des Gewässers ist eine extensive Beweidung möglich. Auch der Naturschutz wird gefördert: Feuchtgebiete bilden einen wertvollen Lebensraum für viele geschützte Arten. Aus Sicht des Tourismus wird die Attraktivität der Region gesteigert. Und nicht nur Überflutungen werden kontrollierbarer, auch das Problem der Grundwasserversalzung wird verringert.

Die gemeinsam entwickelte Strategie wurde vom Landkreis Aurich in dem Entwurf des neuen Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) aufgenommen. Somit fand bereits jetzt eine Umsetzung der Forschungsergebnisse statt. Mit der Aufnahme der gemeinsam entwickelten Strategie in der Regionalplanung, um mögliche Folgen des Klimawandels abzuschwächen, wird ein großer Schritt in Richtung nachhaltige Entwicklung gegangen. Das Zusammenwirken der Regionalgruppe Krummhörn wird über den Abschluss des zugrundeliegenden Projektes nicht enden. Die gewonnenen Erkenntnisse gehen in die Arbeit der Beteiligten ein und die Anpassungsstrategie bildet eine ideale Plattform für weitere Planungen von einzelnen Maßnahmen.

Die tiefliegende Ostfriesische Landschaft. Der Bildausschnitt zeigt die Fläche, die zukünftig als Überflutungspolder genutzt werden könnte (Freepsumer Meer). Copyright: Hanspeter Liniger

Kontakt: Dr. Leena Karrasch, COAST – Zentrum für Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung, Universität Oldenburg, Ammerländer Heerstr. 114 – 118, 26129 Oldenburg, Tel.: 0441 7984328, Email: leena.karrasch@uni-oldenburg.de

Nachhaltiges Landmanagement in Küstenräumen – und die Frage: wie kann ich Ökosystemdienstleistungen in partizipative Planungsprozesse einbeziehen?

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