Anna-Lena Rau

31. Mai 2018

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Zeitliche Dynamiken von Ökosystemleistungen wurden in den letzten Jahren im Gegensatz zu den verschiedenen Methoden zur räumlichen Darstellung relativ selten in wissenschaftlichen Studien thematisiert. So führen nur ungefähr 3% der empirischen Studien, die sich explizit auf das Konzept der Ökosystemleistungen beziehen, Analysen zu zeitlichen Dynamiken durch.

Um in Zukunft die Berücksichtigung zeitlicher Dynamiken in der Forschung an Ökosystemleistungen zu vereinfachen, haben wir ein Konzept erarbeitet, das aus drei verschiedenen Arten von zeitlichen Dynamiken besteht. Da nicht nur die Bereitstellung, sondern auch die Nachfrage nach Ökosystemleistungen zeitlichen Dynamiken unterworfen ist, unterscheiden wir zudem zwischen der Bereitstellungs- und der Nachfrageperspektive. Dazu zeigen wir in unserer Studie Beispiele aus der Literatur verschiedene Ökosystemleistungen auf.

Wir unterscheiden zwischen linearen und nicht-linearen Dynamiken. Lineare Dynamiken können steigend (siehe Abb. 1), fallend oder auch auf einem gleichbleibendem Niveau verlaufen. Ein Beispiel hierfür ist der globale Anstieg der Menge des geernteten Getreides zwischen den 1960er und 1980er Jahren um fast 90%. Auch die Nachfrage nach dieser Ökosystemleistung ist gewachsen. So ist die Unterernährung weltweit von 1990 bis 2008 um 9% gestiegen. Die Gründe hierfür sind nicht nur die wachsende Bevölkerung, sondern auch die Veränderung hin zu einer eher fleischbasierten Ernährung, z.B. in China. Da der Umwandlungswirkungsgrad von pflanzlichem Material in Fleisch nur ca. 10% beträgt, müssen insgesamt mehr Pflanzen angebaut werden.

Abb. 1: Linear steigende Dynamik.

Ein besonderer Fall der linearen Dynamiken sind die periodischen Dynamiken. Hierunter verstehen wir regelmäßig auftretende Schwankungen um einen Mittelwert (siehe Abb. 2), wie zum Beispiel jahreszeitlich bedingte Schwankungen des Ernteertrags eines landwirtschaftlich genutzten Feldes. Es gibt auch jahreszeitlich schwankende Nachfragen, wie die der kleinen Fischereibetriebe an der Küste Andalusiens, die noch mit der traditionellen Methode, der Almadraba, arbeiten. Zweimal im Jahr erwarten sie die Fische, einmal auf ihrem Zug zu den Laichplätzen im Mittelmeer und anschließend auf dem Weg zurück in den Ozean. Allerdings hat sich allein zwischen 1999 und 2003 die auf traditionelle Weise gefangene Menge an Thunfisch um 80% verringert, insbesondere, da die Jungfische mit industriellen Methoden gefangen und in Thunfischfarmen gemästet werden. Somit ist der saisonale Bedarf noch vorhanden, die Bereitstellung der Ökosystemleistungen jedoch aus Perspektive der traditionellen Fischer nicht ausreichend gewährleistet.

Abb. 2: Periodisch verlaufende Dynamik.

Unter nicht-linearen Dynamiken verstehen wir sogenannte „Events“, die entweder nur einmal oder nicht regelmäßig stattfinden (siehe Abb. 3). Darunter fallen zum Beispiel Flut, Dürre, Feuer oder Zerstörung eines Ökosystems durch den Menschen, wenn zum Beispiel ein Wald abgeholzt wird und eine längere Zeit braucht, um das Ausgangsniveau an Ökosystemleistungen wieder zu erreichen. Events auf der Nachfrageseite können unter anderem durch Gesetze und Richtlinien hervorgerufen werden, wie zum Beispiel durch die Biokraftstoffrichtlinie der EU von 2003, die Mitgliedsstaaten dazu aufforderte, die Nutzung von Biokraftstoffen bis 2010 auf 5,75% des Energiegehalts von Kraftstoffen im Verkehrssektor zu erhöhen. Daraus folgten plötzliche Veränderungen in der Nachfrage nach pflanzlichen Rohstoffen, die zu starken Landnutzungsänderungen, wie zum Beispiel dem vermehrten Anbau von Monokulturen, unter anderem in Deutschland, führten.

Abb. 3: Event, eine nicht-lineare Dynamik.

Daher ist es von großer Bedeutung beim Management von Ökosystemleistungen mögliche zeitliche Dynamiken zu berücksichtigen. Die Forschung könnte dazu beitragen, indem unter anderem ein größerer Wert auf Langzeitstudien gelegt wird. Dabei sollten jedoch nicht nur die Dynamiken der Bereitstellung von Leistungen durch Ökosysteme gemessen, sondern auch die menschliche Perspektive, zum Beispiel durch regelmäßige Interviews, berücksichtigt werden.

Publikation:

Rau, A.-L., von Wehrden, H., Abson, D.J., 2018. Temporal Dynamics of Ecosystem Services. Ecological Economics 151, 122–130. doi:10.1016/j.ecolecon.2018.05.009

Kostenloser Download bis zum 8. Juli 2018 unter:  https://authors.elsevier.com/a/1X47B3Hb~0Ejsj

Verfasserin:

Anna-Lena Rau ist Doktorandin an der Fakultät Nachhaltigkeit in der Arbeitsgruppe Quantitative Methoden der Nachhaltigkeitswissenschaft von Prof. Dr. Henrik von Wehrden. Ihre Forschung befasst sich mit zeitlichen Dynamiken von Ökosystemleistungen sowie mit der Transformation zur nachhaltigen Gesellschaft.

Als Biologin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin gilt ihr besonderes Interesse den Interaktionen von Mensch und Natur sowie der nachhaltigen Nutzung von Ökosystemleistungen.

Zeitliche Dynamiken von Ökosystemleistungen stärker berücksichtigen

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