Johannes Langmeyer

23. Oktober 2017

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Der Erhalt von Ökosystemleistungen ist eine weltweite Herausforderung. Die global zunehmende Urbanisierung ist dabei ein doppelt problematischer Faktor. Auf der einen Seite geht urbanes Leben generell mit einem erhöhten Verbrauch an Ökosystemleistungen einher; auf der anderen Seite verlieren urbane Bevölkerungen, durch die geographische Entkopplung, zunehmend das Gefühl und Verständnis für die fundamentale Bedeutung von Ökosystemleistungen. Daher ist es extrem wichtig, die Bedeutung von Ökosystemleistungen für das menschliche Wohl zu erfassen und im städtischen Bewusstsein und in der Stadtplanung zu verankern.

Die „grüne Infrastruktur“ in Städten besteht meist nur aus kleinen räumlichen Einheiten, wie Gärten und Parks. Dennoch sind diese räumlich begrenzten Ökosysteme für die lokale Bereitstellung von Ökosystemleistungen von entscheidender Bedeutung. Urbane Gemeinschaftsgärten spielen hierbei eine besondere Rolle, da sie anders als urbane Parks von der Bevölkerung gepflegt werden, aber anders als private Gärten für eine breite Bevölkerung begehbar und nutzbar sind. Verschiedene Studien haben die Breite der Ökosystemleistungen die urbane Gärten bereitstellen erfasst. Diese reichen von Nahrungssicherheit, städtischer Kühlung, über Erholung bis hin zu sozialer Inklusion. Urbane Gärtner sind die Hüter von Ökosystemleistungen von denen die weitere Stadtbevölkerung profitiert. Aber gleichzeitig profitieren urbane Gärtner auch selbst von Ökosystemleistungen. Ein besseres Verständnis für die Bedeutung, welche urbane Gärtner den verschiedenen Ökosystemleistungen beimessen, ist daher entscheidend für deren Erhalt.

Ökosystemleistungen entstehen an der Schnittstelle zwischen Mensch und Umwelt, dies gilt umso mehr in städtischen Ökosystemen, die stark von menschlichen Aktivitäten geprägt werden. Es kann demnach angenommen werden, dass die Breite und Bedeutung von Ökosystemleistungen von einem komplexen Wechselspiel aus ökologischen, sozialen und institutionellen Faktoren abhängt. Welche Faktoren dabei ausschlaggebend sind, das heißt welche Art von Gärten für bestimmte Ökosystemdienstleitungen von Bedeutung ist, wurde allerdings bisher nur unzureichend erfasst. In der vorliegenden Studie ergründen wir dies, indem wir zunächst die Bedeutung, die Gärtner bestimmten Ökosystemleistungen beimessen, mit verschiedenen Gartentypen korrelieren und anschließend verschiedene Charakteristika von Gärten mit der Bedeutung von Ökosystemleistungen in Beziehung setzen.

Als Fallstudie haben wir 27 Gemeinschaftsgärten in Barcelona (Katalonien) betrachtet, die aus städtischen Gartenprogrammen oder aus Bürger- oder Nachbarschaftsinitiativen―oft in Verbindung mit der Besetzung von Brachflächen―entstanden sind. Im Gegensatz zu vielen deutschen Städten, in denen urbane Gärten seit Schrebers Zeiten eine durchgängige Tradition haben, wurde die Anzahl urbaner Gärten in Barcelona seit der Industrialisierung systematisch minimiert und erreichte im Zuge weitreichender Stadtumgestaltungen zu den Olympischen Spielen 1992 ihren Tiefpunkt. Erst in den letzten Jahren, und deutlich verstärkt durch die lokalen Auswirkungen der internationalen Finanzkrise, gewinnt urbanes Gärtnern eine neue Popularität und wird zunehmend auch von Politik und Stadtverwaltung gefördert. Die empirische Grundlage dieser Studie basiert auf Kartierungen, Beobachtungen, 35 Interviews sowie einer Befragungen von über 200 urbanen Gärtnern.

Links: Gemeinschaftsgarten Can Masdeu gegründet nach Besetzung 2002. Rechts: Nachbarschaftsgarten Poblenou II, besetzt 2012. (Fotos: Marta Camps Calvet)

Unsere Studie verdeutlicht die Unterschiede zwischen verschieden Gartentypen und der Bedeutung von Ökosystemleistungen die sie bereitstellen für die Gärtner. Zum Beispiel sind die politische Selbstgestaltung, die Kreation von und die Identifikation mit städtischem Raum von grundlegender Bedeutung in Gärten, die aus lokalen Bürger- oder Nachbarschaftsinitiativen entstanden sind. Diese Gärten werden in der Regel von kleineren Gruppen (selten mehr als 20 Personen) von Gärtnern in gemeinschaftlicher Arbeit bewirtschaftet. Über die kleine Gruppe der aktiven Gärtner hinaus und über das reine Gärtnern hinaus, bieten diese Gärten oft Raum für allerlei andere Aktivitäten, und stärken als Nachbarschaftstreffs den sozialen Zusammenhalt in den Stadtvierteln. Dabei bilden das Experimentieren und Lernen von gärtnerischen Praktiken, Produktionszyklen und das Probieren unbekannter Sorten ein wichtiges Bindeglied.

Links: Städtischer Garten Can Mestre gegründet 1997. Rechts: Städtischer Garten Hort Turull gegründet 2004 (Fotos: Johannes Langemeyer).

In einer zweiten Gruppe von Gärten, die insbesondere von der Parzellierung und der individuellen Bewirtschaftung gekennzeichnet sind, spielen (Landschafts-) Ästhetik, Stressabbau und Erholung eine übergeordnete Rolle. In diesen Gärten ist auch die Bedeutung der Produktion von Nahrungsmitteln verstärkt. Auffällig ist die Bedeutung dieser Gärten für (männliche) Migranten – insbesondere aus ländlichen Gebieten Spaniens – die hier eine starke Rückbesinnung auf ihre ländlichen Ursprünge und Praktiken (er)leben. Diese Gärten sind weniger stark selbstverwaltet und die Identifikation mit dem Garten konzentriert sich stärker auf die eigne Parzelle. Gefördert durch das gemeinschaftliche Lernen und den Austausch von Techniken und Saatgut, spielt auch in diesen Gärten die Schaffung sozialen Zusammenhalts eine wichtige Rolle.

Unsere Studie zeigt, dass Gartengröße, die Anzahl der Nutzer und die Eigentumsrechte signifikante Einflussgrößen für die Bedeutung von Ökosystemleistungen in urbanen Gärten sind. Darüber hinaus sind die wichtigen Einflussgrößen insbesondere sozialer Natur. Zum Beispiel sind Geschlecht, Herkunft, Bildung und Einkommen mitbestimmend für die Bedeutung die Ökosystemleistungen beigemessen wird. Insbesondere Frauen, Migranten und Bildungsschwächere messen den Ökosystemleistungen die ihnen in urbanen Gärten zuteilwerden eine höhere Bedeutung bei. Unsere Studie gibt damit Hinweise darauf, dass die Sozialisierung, z.B. auf dem Land, eine besondere Rolle für die Wertschätzung von Ökosystemleistungen und deren Erhalt in urbanen Gärten hat. Im Umkehrschluss bestätigt dies frühere Studien die befürchten, dass eine urbane Sozialisierung zu einer Geringschätzung von Ökosystemleistungen beiträgt. Wichtig ist es zur Kenntnis zu nehmen, das die ökologische Beschaffenheit, zum Beispiel die Art der Landnutzung, keinen signifikanten Bedeutung für die Wahrnehmung und Wertschätzung von Ökosystemleistungen in urban Gärten hat. Vielmehr sind es die institutionellen Charakteristika, wie zum Beispiel die Eigentums- und Nutzungsrechte, die die Identifikation mit dem Garten, das gärtnerische Engagement und damit den Erhalt von Ökosystemleistungen fördern.

Angesichts des Verlusts von Ökosystemleistungen sind sowohl die lokale Bereitstellung als auch die Wertschätzung von Ökosystemleistungen in Städten wichtige Bestandteile für eine globale Nachhaltigkeitsstrategie. Die vorliegende Studie zeigt, dass urbane Gärten in ihren verschiedenen Ausprägungen einen kleinen Teil dazu beitragen können. Kreative Stadtplanung kann dies aktiv begünstigen, indem sie Bürger als Hüter von Ökosystemleistungen fördert. Die Schaffung von physischem und institutionellem Freiraum, indem selbstverantwortlich, gärtnerische Erfahrungen gemacht werden können, scheint ein entscheidender Baustein für eine solche Stadtplanung zu sein.

Veröffentlichung

Langemeyer, J., Camps-Calvet, M., Calvet-Mir, L., Barthel, S., & Gómez-Baggethun, E. (2017). Stewardship of urban ecosystem services: understanding the value (s) of urban gardens in Barcelona. Landscape and Urban Planning. https://doi.org/10.1016/j.landurbplan.2017.09.013

Die Bedeutung von urbanen Gärten für den Erhalt von Ökosystemleistungen

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