Christina Fischer

16. Oktober 2017

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

Das Konzept der Ökosystemleistungen beschäftigt sich meist nur mit Ökosystemfunktionen, welche einen positiven Einfluss auf das menschliche Wohlbefinden haben. Allerdings gibt es auch Ökosystemfunktionen, welche negative ökologische und wirtschaftliche Folgen haben. In Agrarlandschaften können diese positiven und negativen Funktionen häufig durch dieselbe Organismengruppe verursacht werden. Kleinsäuger sind eine solche Organismengruppe, welche häufig in landwirtschaftlichen Flächen vorkommen und dort eine Schlüsselrolle als Herbivore einnehmen und damit sowohl Ökosystemleistungen, als auch Fehlleistungen bereitstellen. Einerseits können sie zur biologischen Unkrautkontrolle durch den Fraß von Unkrautsamen und Unkräutern beitragen, andererseits können sie aber auch besonders in Jahren mit hohen Dichten erhebliche Ernteschäden hervorrufen und damit die landwirtschaftliche Produktivität beeinträchtigen. Während das Schädlingspotential von Wühlmäusen z.B. der Feldmaus (Abb. 1a) gut untersucht ist, gibt es bisher wenige Untersuchungen, welche Schäden echte Mäuse z.B. die Waldmaus in Ackerflächen verursachen.

In der vorliegenden Studie haben wir die kausalen Zusammenhänge zwischen Ökosystemleistungen (Fraß von Unkrautsamen) und Fehlleistungen (Fraß von Getreidekörnern und Ernteschäden; Abb. 1b), welche durch Kleinsäuger (Wühlmäuse und echte Mäuse) verursacht werden auf verschiedenen räumlichen Skalen betrachtet. Wir haben dazu die ehemalige innerdeutsche Grenze als einzigartiges Freilandlabor genutzt, um auf der Landschaftsskala den Einfluss der nach wie vor vorhandenen Unterschiede in der Schlaggröße und der Habitatdiversität in Ost- und Westdeutschland (Abb. 1c, d) auf das Vorkommen und die Ökosystemfunktionen von Kleinsäugern zu untersuchen. Auf der lokalen Skala, wurden Unterschiede in der Bewirtschaftung der Schläge (ökologischer oder konventioneller Winterweizenanbau), die damit zusammenhängende Unterschiede in den pflanzenbaulichen Merkmalen (Bestandesdichte und Pflanzenlänge), sowie Randeffekte untersucht.

Abb.1: a) Wühlmäusen, welche mithilfe von Lebendfallen zur Erfassung der Populationsdichten gefangen wurde, b) Ernteschäden durch Kleinsäuger in Getreidebeständen, c) ökologisch bewirtschafteter Weizenschlag in einer kleinräumigen Agrarlandschaft in Westdeutschland, d) konventionell bewirtschafteter Weizenschlag in einer großräumige Agrarlandschaft in Ostdeutschland.

Die Ergebnisse zeigen, dass Wühlmäuse (aber nicht echte Mäuse; Abb. 1a) vor allem für Ökosystemfehlleistungen (Ernteschäden; Abb. 1b) in landwirtschaftlich genutzten Flächen verantwortlich sind, aber keinen direkten Beitrag zu den positiven Ökosystemfunktionen (Fraß von Unkrautsamen) leisten. Dabei waren die Fraßraten von Getreidekörnern, fast dreimal höher als der Fraß an Unkrautsamen. Die Populationsdichte von Wühlmäusen und der damit verbundene Ernteschaden verringerte sich mit geringerer Bestandesdichte und höherer Pflanzenlänge des Weizens, beides pflanzenbauliche Merkmale, welche mit dem ökologischen Landbau verbunden sind. Außerdem waren die Häufigkeit der Wühlmäuse und auch die Ernteschäden in konventionellen Feldern in Westdeutschland am höchsten. Unterschiede, auf der Landschaftsskala, wie eine geringe Habitatdiversität in Ostdeutschland hatten kaum einen Einfluss auf die positiven und negativen Funktionen von Kleinsäugern. Leidglich die längeren Feldränder, durch die kleineren Ackerschläge in Westdeutschland können sich möglicherweise positiv auf die biologische Unkrautkontrolle auswirken, weil diese zu höheren Fraßraten von Unkrautsamen führen.

Zusammenfassend zeigt unsere Studie, dass Maßnahmen gegen Ernteschäden vor allem die Bekämpfung von Wühlmäusen, aber nicht echten Mäusen, berücksichtigen sollten. Pflanzenbauliche Merkmale, welche im Zusammenhang mit dem ökologischen Landbau stehen, wie geringere Bestandsdichten und eine höhere Pflanzenlänge, wirken sich dabei regulierend auf die Wühlmausdichten und die Ernteschäden aus. Zusätzlich können großräumige Agrarlandschaften, wie sie heute noch in Ostdeutschland zu finden sind, das Schädlingspotential der Wühlmäuse weiter reduzieren. Allerdings hat diese Großräumigkeit negative Auswirkungen auf die Biodiversität der Ackerflächen und führt zur geringen Artenvielfalt von Wildpflanzen und vielen Insekten.

Die vorliegende Untersuchung ist Teil eines DFG Projekts, welches sich unter der Leitung von Péter Batáry, Georg-August-Universität Göttingen mit den ökologischen und ökonomischen Folgen der kleinräumigen Landwirtschaft in Westdeutschland und der großräumigen Landwirtschaft in Ostdeutschland beschäftigt.

Autorin

Christina Fischer arbeite als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Renaturierungsökologie der Technischen Universität München. Ihre Forschung beschäftigt sie sich vor allem mit dem Einfluss der landwirtschaftlichen Intensivierung, der Bewirtschaftungsintensität und der Landschaftsstruktur auf die Biodiversität und Funktionalität von Agrarlandschaften. Kontakt: christina.fischer@tum.de

Veröffentlichung

Fischer, C., Gayer, C., Kurucz, K., Riesch, F., Tscharntke T. & Batáry, P. (2017) Ecosystem services and disservices provided by small rodents in arable fields: effects of local and landscape management. Journal of Applied Ecology. DOI: 10.1111/1365-2664.13016

Weiter Literatur:

Batáry, P., Gallé, R., Riesch, F., Fischer, C., Dormann, C.F., Mußhoff, O., Császár, P., Fusaro, S., Gayer, C., Happe, A.-K., Kurucz, K., Molnár, D., Rösch, V., Wietzke, A. & Tscharntke, T. (2017) The former iron curtain still drives biodiversity-profit trade-offs in German agriculture. Nature Ecology and Evolution. 1, 1279–1284. DOI: 10.1038/s41559-017-0272-x

Positive und negative Ökosystemfunktionen von Kleinsäugern in Agrarlandschaften: Auswirkungen des lokalen und Landschaftsmanagements

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