Räumliche Beziehungen von Ökosystemleistungen sind sehr komplex und oft noch unzureichend verstanden. Häufig liegen Gebiete, die bestimmte Ökosystemleistungen erbringen, weit entfernt von denjenigen, die davon profitieren. Beispielsweise stellen Bergregionen in vielen Fällen wichtige Wasserversorger für Menschen dar, die in Großstädten im angrenzenden Tiefland leben, oder sie sind wichtige Erholungsgebiete für Menschen, die die Landschaft für Freizeitaktivitäten nutzen. Produkte aus der Landwirtschaft werden weltweit gehandelt und Treibhausgasemissionen sind von globaler Relevanz. Um von den Ökosystemleistungen zu profitieren, ist es daher erforderlich, den Transfer vom Versorgungsgebiet zum Nutzungsgebiet zu erleichtern, indem entweder Waren zu den Nutzern befördert werden oder indem die Menschen sich in das Gebiet begeben, in dem eine bestimmte Ökosystemleistung erbracht wird. Ein detailliertes Verständnis der verschiedenen Arten von Interaktionen ist von entscheidender Bedeutung, um den Transfer von Ökosystemleistungen nicht nur auf lokaler oder regionaler Ebene, sondern auch auf nationaler oder globaler Ebene angemessen zu beeinflussen und natürliche Ressourcen auf eine nachhaltige Art zu nutzen. In dieser Studie haben wir daher die räumlichen Flüsse auf regionaler und globaler Ebene von sechs wichtigen Ökosystemleistungen (Trinkwasser, Grünfutter, Schutz vor Naturgefahren, Kohlenstoffspeicherung, Erholung im Freien sowie symbolische Pflanzen und Tiere) von und nach Bergregionen untersucht (Abbildung 1).
Anhand detaillierter Beispiele, die sich auf die europäischen Alpen und das umliegende Tiefland konzentrieren, haben wir wichtige Arten des räumlichen Transfers identifiziert und veranschaulicht. Der Transfer von Ökosystemleistungen umfasst verschiedene Arten von Transportprozessen, die von passiven biophysikalischen Prozessen bis zum aktiven Transport von Gütern reichen oder mit Reiseaktivitäten von Menschen verbunden sind. Unsere Beispiele zeigen auch die Hauptströmungsrichtung von Berggebieten zum umliegenden Tiefland sowie globale Wechselwirkungen, die weit über die regionale Ebene hinausgehen. Die einzige Ökosystemleistung, die auf ausgewählte Berggebiete beschränkt ist, ist der Schutz vor Naturgefahren, während alle anderen Ökosystemleistungen weitreichende Abhängigkeiten zwischen Tieflandregionen und Berggebieten aufzeigen. Beispielsweise beziehen rund 4 Millionen Menschen in Baden-Württemberg Trinkwasser aus nur 1% des Bodensee-Wasserreservoirs. Unsere Ergebnisse zum Grünfutter zeigen, dass zwar der höchste Anteil des eingeführten Kraftfutters aus Ländern der Europäischen Union (70%) stammte, aber 23% auch aus Südamerika. Während die Schweiz, Slowenien und die italienischen Regionen mehr als 50% des tatsächlich benötigten Futters importierten, produzierte der deutsche Teil des Untersuchungsgebiets mehr Futter als benötigt und exportierte 5% des produzierten Futters in andere Regionen. In allen Ländern überstiegen die regionalen Kohlenstoffemissionen erheblich die Kapazität von Wäldern Kohlenstoff zu binden. Berggebiete schneiden dabei zwar im Allgemeinen besser ab als Tieflandgebiete, aber insgesamt konnten 89% der Kohlenstoffemissionen nicht gebunden werden. Bei den kulturellen Leistungen zeigt sich ein hohes Maß an globaler Interaktion. Menschen aus der ganzen Welt profitieren von den Erholungsangeboten der Bergregionen (Abbildung 2). Während in den untersuchten Gebieten in der Schweiz und in Italien rund die Hälfte der Besucher aus dem eigenen Land stammte, wurden die Nordalpen in Österreich überwiegend von Menschen aus dem Ausland besucht (82%). Pflanzen und Tiere, die für die Alpen als symbolisch betrachtet werden wie Edelweiß, Enzian, Steinbock, werden oft genutzt, um Informationen und Ideen aus den Alpen auch an Orte außerhalb der Alpen zu transportieren. Eine Art der kontinuierlichen Weitergabe erfolgt beispielsweise über Alpenvereine, die in ihren Logos auf symbolische Pflanzen oder Tiere verweisen, oder die Fluggesellschaft Edelweiss Air, die durch ihren Namen und ihr Logo ein spezifisches Bild und Werte vermitteln möchte.
Autorin
Uta Schirpke arbeitet am Institut für Alpine Umwelt von Eurac Research in Bozen (Italien) und am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck (Österreich) mit Forschungsschwerpunkt Ökosystemleistungen. Sie konzentriert sich auf die Modellierung und Analyse von räumlichen und zeitlichen Entwicklungen von Ökosystemen und Ökosystemleistungen.
Kontakt: uta.schirpke@eurac.edu
Veröffentlichung
Schirpke, U., Tappeiner, U., & Tasser, E. (2019). A transnational perspective of global and regional ecosystem service flows from and to mountain regions. Scientific Reports, 9(1), 6678. https://www.nature.com/articles/s41598-019-43229-z