Brenda Zoderer

6. Juni 2019

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Landschaften verändern sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Insbesonderen in Berggebieten führt der derzeit stattfindende Landschaftswandel zu weitreichende Konsequenzen: Nicht nur ändert sich das Landschaftsbild, sondern auch die Bereitstellung von für Bewohner und Besucher von Berggebieten oft wichtigen Ökosystemleistungen. Als Folge dieser Veränderungen können Konflikte zwischen unterschiedlichen Nutzern der Landschaft und ihren Interessen auftreten. Um zukünftige Landschaftsveränderungen besser steuern zu können, ist es daher entscheidend, solche Konflikte früh zu erkennen, sie räumlich zu lokalisieren, sowie ihre mögliche Ursache besser zu verstehen.

In der vorliegenden Studie untersuchten wir unter Betrachtung von sogenannten Ökosystemleistungs-Bündel das Auftreten und die Ursache möglicher Konfliktpotenziale zwischen drei Interessengruppen (Landwirten, Bewohnern und Touristen) in unterschiedlichen Landschaften der Region Südtirol. Dabei haben wir uns angeschaut, welche Ökosystemleistungs-Bündeln von den drei Interessensgruppen in den Landschaften der Untersuchungsregion identifiziert werden (die Angebotsseite) und wie sich diese Bündel von jenen unterscheiden, die von den Interessensgruppen nachgefragt werden (die Nachfrageseite). Das Konzept der Ökosystemleistungs-Bündel, also das Erfassen von gemeinsam auftretenden Ökosystemleistungen sowohl auf Angebots- als auch Nachfrageseite, wurde dabei gewählt, um möglichst ein differenziertes Bild aufzeigen zu können, das über die Betrachtung einzelner Leistungen hinaus geht. Mit Hilfe eines Fragebogen und von Landschaftsphotos wurden insgesamt 858 Studienteilnehmer zu ihrer Wahrnehmung von 15 Ökosystemleistungen in 10 unterschiedlichen Landschaften (Angebotsseite) und der sozio-kulturellen Bedeutung dieser Ökosystemleistungen (Nachfrageseite) befragt.

Abb. 1: Die identifizierten Ökosystemleistungs-Bündel auf der Angebotsseite und ihre Assoziationen zu den untersuchten Landschaften.

Unsere Studie zeigt, dass unterschiedliche Ökosystemleistungs-Bündel auf der Angebots- und Nachfrageseite identifiziert wurden. Insbesondere zeigen unsere Ergebnisse, dass die untersuchten Interessensgruppen die gleichen drei Ökosystemleistungs-Bündel auf der Angebotsseite identifiziert und diese gleichermaßen mit bestimmten Landschaften in Verbindung gebracht haben (Abb. 1). So wurden beispielsweise intensiv genutzte Obst- und Weinplantagen fast ausschließlich mit der Bereitstellung von mehreren landwirtschaftlichen Leistungen in Verbindung gebracht, während Wälder oder traditionell genutzte Agroforstsysteme besonders für die Bereitstellung vieler lebenserhaltender Funktionen wie der Regulierung des Klimas, der Luft oder dem Schutz vor Naturgefahren, aber auch für ihre Bereitstellung von erfahrungs-basierten Leistungen wie ihrem Erholungs- oder ästhetischen Wert geschätzt wurden. Während also die drei untersuchten Interessensgruppen sich bezüglich der Bereitstellung von Ökosystemleistungsbündel und ihrer Assoziation mit bestimmten Landschaften einig waren, unterschieden sie sich maßgeblich bezüglich der von ihnen nachgefragten Ökosystemleistungs-Bündel (Abb. 2). Während Landwirte vor allem versorgendene Leistungen wie die Bereitstellung landwirtschaftlicher Produkte oder von Brenn- und Bauholz nachfragten, wünschten sich die Bewohner der Untersuchungsregion vorwiegend regulierende und Touristen vorwiegend kulturelle Leistungen.

Abb. 2: Die von Interessensgruppen nachgefragten Ökosystemleistungs-Bündel.

Diese differenzierte Betrachtung von Ökosystemleistungs-Bündel sowohl auf Angebots- als auch Nachfrageseite zeigt auf, dass Konflikte zwischen den drei Interessensgruppen vor allem bezüglich der zunehmenden Ausdehnung von intensiv genutzten Obst- und Weinplantagen am Talboden zu erwarten sind. Aus Sicht der drei Interessensgruppen stellen Obst- und Weinplantagen zwar viele landwirtschaftliche Leistungen auf hohem Niveau bereit, allerdings auf Kosten vieler für Bewohner und Touristen wichtiger regulierender und kultureller Leistungen. Unser Vergleich zwischen Angebots- und Nachfrageseite zeigt außerdem, dass Konflikte weniger aufgrund von Unterschieden in der Wahrnehmung von Ökosystemleistungs-Bündel in unterschiedlichen Landschaften zu erwarten sind, sondern da unterschiedliche Interessensgruppen unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche gegenüber Ökosystemleistungen und in Folge gegenüber Landschaften äußern. Dies betont einmal mehr, dass Landschaftsveränderungen nur dann effektiv und sozial gerecht gesteuert werden können, wenn die Bedürfnisse von unterschiedlichen Interessensgruppen früh in der Planung und dem Management von Landschaften miteinbezogen werden.

Autorin:

Brenda Maria Zoderer ist Doktorandin am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck. Sie forscht zur Beziehung zwischen Mensch und Natur mit Schwerpunkt Ökosystemleistungen, Landschaftswahrnehmung und Wildnis.

Kontakt: brenda.zoderer@gmail.com

Veröffentlichung:

Zoderer, B.M., Tasser, E., Carver, S., Tappeiner, U., 2019. Stakeholder perspectives on ecosystem service supply and ecosystem service demand bundles. Ecosyst. Serv. 37, 100938. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2212041618303334

 

Wo und warum treten Landschaftskonflikte auf? Eine Analyse aus Sicht von Ökosystemleistungs-BündelWo und warum treten Landschaftskonflikte auf? Eine Analyse aus Sicht von Ökosystemleistungs-Bündel

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