Jacqueline Loos

18. März 2019

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Fast die Hälfte aller europäischen Landschaften werden landwirtschaftlich genutzt. Diese Agrarökosysteme spielen eine große Rolle für den Erhalt der Biodiversität und der verschiedenen Funktionen und Ökosystemleistungen. Solche Leistungen beinhalten neben Anbauprodukten beispielsweise auch Kohlenstofffixierung und Wasserrückhalt. Darüber hinaus sind europäische Agrarlandschaften einen Schauplatz der Mensch-Umwelt-Beziehungen und garantieren nicht nur ein Einkommen für die Landwirte, sondern stellen auch einen Ort der kulturellen Identität dar. Diese Multifunktionalität von Agrarlandschaften wird jedoch durch eine immer einseitigere Verwendung in Mitleidenschaft gezogen, was wiederum eine Reduktion der Biodiversität mit sich bringt.

Spätestens seit der Erkenntnis über das große Insektensterben steht nunmehr das Management unserer Agrarflächen der Herausforderung gegenüber, den beiden Hauptursachen für diesen Verlust von Multifunktionalität und Biodiversität zu begegnen. Diese Ursachen sind zum einen die Nutzungsaufgabe extensiv bewirtschafteter landwirtschaftlicher Flächen, wie beispielsweise Kalkmagerrasen, welche deutschlandweit eine herausragende Rolle für den Arterhalt spielen. Als Konsequenz der Landnutzungsaufgabe wachsen hier Sukzessionswälder heran, in denen die stark angepassten, jedoch oft konkurrenzschwächeren Arten nicht lange weiterexistieren können. Zum anderen wird die Landnutzung in vielen Regionen Europas immer weiter intensiviert, was oftmals mit dem erhöhten Einsatz von Agrochemikalien sowie einer Verringerung der Strukturvielfalt der Landschaft einhergeht. Durch die Optimierung der landwirtschaftlichen Produktion und der damit einhergehenden Vereinfachung der Landschaftsvielfalt wird in den Agrarlandschaften lediglich auf eine spezifische Ökosystemleistung, nämlich den landwirtschaftlichen Ertrag, fokussiert, wodurch es jedoch zu einem Abstrich/ einer Verringerung des Potentials der Landschaft kommen kann, verschiedenste Leistungen zu erbringen.

Bestäubung und natürliche Schädlingskontrolle sind zwei wichtige Ökosystemleistungen in Agrarlandschaften. Während der größte Anteil der Bestäubung nur von wenigen Bestäuberarten, wie zum Beispiel der Honigbiene, erbracht wird, sind seltenere Bestäuber häufig effektiver und könnten unter sich ändernden Umweltbedingungen eine bedeutsame Rolle spielen. Die Anordnung und die Zusammensetzung der Landschaftselemente beeinflusst auch das Potential zur natürlichen Schädlingsbekämpfung, wie sie beispielsweise durch Schlupfwespen vollbracht wird.

Bestäubung und natürliche Schädlingskontrolle sind zwei besonders wichtige Ökosystemleistungen, die auch für die landwirtschaftliche Produktion bedeutend sind. So ist weltweit ca. 75% der Kulturfrüchte von Bestäubung abhängig. Jedoch sind es letztendlich nur wenige Arten, die diese Ökosystemleistung bereitstellen. Eine erhöhte Artenanzahl an Bestäubern trägt zwar nur marginal zu der spezifischen Bestäubungsleistung bei, jedoch sind es genau diese zusätzlichen Arten, die für eine erhöhte Resilienz des Agrarökosystems beitragen. Die Diversität von Bestäubern in einer Agrarlandschaft kann durch einen erhöhten Strukturreichtum, zum Beispiel durch Hecken, Bäume, und halbnatürliche Lebensräume gefördert werden. Ebenso trägt eine solche Landschaftsheterogenität zur Abundanz natürlicher Schädlingsfeinde bei. In unserem aktuellen Buchkapitel zeigen wir, dass es in strukturarmen, homogenen Landschaften zu weniger natürlicher Schädlingsbekämpfung kommt.  

Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität haben sich in vergangenen Studien vor allem dort als erfolgreich erwiesen, wo wenig natürliches Habitat in der Umgebung vorhanden, die Landschaft jedoch noch nicht komplett ausgeräumt war. Empfohlen wird, circa 20% halbnatürlichen Lebensraum zu erhalten, um funktionelle Biodiversität für die natürliche Schädlingsbekämpfung und die Bestäubung zu erhöhen. Durch geringer intensives Management im Ackerland, zum Beispiel durch organischen Anbau, lässt die Landschaft jedoch ähnlich hohes Maß an funktioneller Biodiversität zu, selbst wenn der Anteil naturnaher Flächen eine geringeren Anteil Fläche bedeckt.   

In unserem Artikel empfehlen wir, dass die europäischen Naturschutzmaßnahmen innerhalb der Agrarflächen die gesamte Landschaft in ihrer Planung berücksichtigen sollten, damit lokal eine Erhöhung der Strukturvielfalt erreicht werden kann und diese Elemente über größere Distanzen miteinander verbunden bleiben können. Ackerland kann, zumindest zeitweilig, einen Teil-Lebensraum für verschiedene, funktionell wichtige Arten wie Bestäuber oder natürlichen Schädlingsfeinden darstellen und somit aktiv die Biodiversität sowie die Multifunktionalität der Agrarlandschaft erhöhen.

Buchkapitel:

„Vulnerability of Ecosystem Services in Farmland depends on landscape management“, in: Schröter et al. (eds.), Atlas of Ecosystem Services, https://doi.org/10.1007/978-3-319-96229-0_15.

Autoren:

Jacqueline Loos, Péter Batáry, Ingo Grass, Catrin Westphal, Svenja Bänsch, Aliette Bosem Baillod, Annika L. Hass, Julia Rosa, und Teja Tscharntke

Landschaftsmanagement bestimmt die Multifunktionalität von Agrarflächen

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