Lisanne Hölting

9. Mai 2019

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Multifunktionale Landschaften sind Landschaften die viele verschiedene Funktionen gleichzeitig erfüllen. Haben diese Funktionen einen bestimmten ökologischen, kulturellen oder ökonomischen Wert für unsere Gesellschaft, werden sie „Ökosystemleistungen“ genannt. Wissenschaftler*innen beschäftigen sich nicht nur mit dem Wert einzelner Ökosystemleistungen, sondern auch mit dem Wert von gesamten multifunktionalen Landschaften. Es gibt verschiedenen Methoden, die genutzt werden um die Multifunktionalität einer Landschaft zu messen. Diese sind vergleichbar mit den Methoden, die in der Ökologie verwendet werden um Biodiversität zu messen:

  1. die Anzahl an Ökosystemleistungen in einem Gebiet (entspricht dem Artenreichtum)
  2. die Summe oder der Mittelwert der gemessenen Ökosystemleistungen in einem Gebiet (entspricht der Abundanz)
  3. die Diversität der Ökosystemleistungen in einem Gebiet (entspricht der Artenvielfalt)

In unserer Studie „Multifunctionality indicators – more than assessing multiple ecosystem functions and services? A quantitative literature review“ wollten wir nicht nur herausfinden, welche Methoden zur Messung von Multifunktionalität genutzt werden, sondern auch welche Ökosystemleistungen in den bisherigen Studien aufgenommen wurden und auf welcher räumlichen Skala Multifunktionalität gemessen wurde: Was steht eigentlich genau hinter diesem Begriff „Multifunktionalität“?

Wir haben 101 quantitative Studien untersucht und herausgefunden, dass der Begriff Multifunktionalität sehr unterschiedlich ausgelegt und interpretiert werden kann. Zunächst stellten wir fest, dass nicht nur Ökosystemleistungen sondern auch Ökosystemfunktionen aufgenommen werden um Multifunktionalität zu messen. Die Studien bezogen sich darüber hinaus nicht nur auf die Landschafts-Skala, sondern reichten von Mikroskalen bis hin zu globalen Skalen. Um zu verstehen wie Multifunktionalität jeweils definiert wird, muss man sich die jeweils erfassten Ökosystemleistungen oder -funktionen genau anschauen.

  • Ökosystemleistungen“ sind Leistungen der Natur, die einen Nutzen für den Menschen haben. Multifunktionalitätsstudien, die verschiedene Ökosystemleistungen aggregieren, beziehen daher oft verschiedene Interessengruppen mit in die Auswahl oder Bewertung der Ökosystemleistungen. Darüber hinaus erfassen diese Studien oft bereitstellende, regulierende, kulturelle und unterstützende Ökosystemleistungen zu gleichen Teilen.
  • Ökosystemfunktionen“ beschreiben hingegen dessen Phänomene oder Prozesse in der Natur, die eine bestimmte Funktion in einem Ökosystem, jedoch nicht unbedingt einen direkten Nutzen für den Menschen haben. Multifunktionalitätsstudien, die verschiedene Ökosystemfunktionen aggregieren, setzen Multifunktionalität oft in Bezug zu Biodiversität um herauszufinden, ob Gebiete mit mehr Artenvielfalt auch mehr Funktionen aufweisen

Insgesamt haben die Studien unterschiedliche Aspekte der Landschaften auf aufgenommen, jedoch den gleichen Begriff („Multifunktionalität“) und die gleichen Methoden zur Messung von Multifunktionalität genutzt. Dieser konzeptionelle „Mismatch“ hat oft zu einem Unverständnis über das Thema an sich beigetragen. Wir schlussfolgern, dass zunächst eine klarere Verwendung der Begriffe „Ökosystemleistung“ oder „Ökosystemfunktion“ wichtig ist. Und, ist es überhaupt wichtig, dass wir Multifunktionalität messen können? Unsere Antwort lautet: Ja, aber wir müssen auch darüber diskutieren, für welche Interessensgruppen Multifunktionalität überhaupt eine Rolle spielt. Können wir differenzieren wer welche Ökosystemleistungen nutzt und wo es Konflikte zwischen verschiedenen Interessensgruppen gibt? Können wir entscheiden wo und auf welcher Skala wir Multifunktionalität brauchen? Um multifunktionale Landschaften zu erhalten und verschiedene Ökosystemleistungen gleichzeitig zu fördern, brauchen wir ein grundlegendes ökologisches Verständnis. Wir müssen jedoch auch die Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt besser verstehen und dieses Wissen in unsere täglichen Entscheidungen, als auch in Entscheidungen im Landschaftsmanagement (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tourismus, etc.) mit einbeziehen.

Autorin:

Lisanne Hölting, PhD student at the Department of Computational Landscape Ecology, Helmholtz Centre for Environmental Research. PhD title: “Multifunctionality of landscapes – an ecosystem service perspective”. https://www.ufz.de/index.php?en=42508

Publikationen:

Hölting, L., M. Beckmann, M. Volk & A.F. Cord (2019): Multifunctionality assessments – More than assessing multiple ecosystem functions and services? A quantitative literature review. Ecological Indicators 103: 226-235. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2019.04.009

Hölting L., Felipe-Lucia M., Cord A.F. (in review): Multifunctional landscapes, Encyclopediea of World Biomes.

Multifunktionalität messen – wie und warum?

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