Friederike Enßle und Nadja Kabisch

15. Mai 2020

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Grünflächen stellen Ökosystemleistungen zur Verfügung, die sich positiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Stadtbewohner*innen auswirken: Urbane Vegetation kühlt, vor allem Bäume spenden Schatten, mildern Lärm und filtern Abgase (TEEB 2016). Außerdem bieten Grünflächen und Parks Möglichkeiten zur Erholung, für sportliche Aktivität und zur Begegnungen zwischen Menschen. Sie tragen somit zu sozialer Interaktion bei.

Copyright: Nadja Kabisch

Unter dem Stichwort der Umweltgerechtigkeit wird häufig diskutiert, wer in der Stadt Zugang zu grünen Räumen hat und unter welchen lokalen sozialräumlichen Bedingungen (Böhme et al. 2019). Dabei wird meist auf die Verteilung von Stadtgrün geblickt – also untersucht, welche Stadtviertel besonders grün sind und welche Teile der Stadt kaum Grünflächen zur Verfügung haben. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels ist eine gute Erreichbarkeit von Grünflächen in der Stadt besonders wichtig, da ältere Menschen mit zunehmendem Alter unter Umständen weniger mobil sind. Fußläufig erreichbare Grünflächen mit einer hohen Aufenthaltsqualität sind daher für Menschen im höheren und hohen Alter besonders wichtig. Aber kann der Verteilungsaspekt allein erklären, warum manche ältere Menschen häufiger Grünflächen besuchen als andere?

In einer Fragebogenbasierten Studie in Berlin haben wir untersucht, welche Faktoren die Grünflächennutzung älterer Menschen (Durchschnittsalter: 69 Jahre) beeinflussen und uns dabei am Konzept socio-environmental justice orientiert (Kabisch & Haase, 2014; Low, 2013). Socio-environmental justice umfasst neben Verteilungsaspekten von Grünflächen auch soziale Aspekte (interactional justice), wie eine diskriminierungsfreie Umgebung und soziale Einbindung, sowie die Möglichkeit zur Partizipation in Planungsprozessen (procedural justice). In unserer Stichprobe von 504 Personen zeigt sich, dass bestimmte soziale Komponenten (interactional justice) für Parknutzung durch ältere Menschen in Berlin besonders zentral sind:

  1. Attraktive, einladende Umgebung: Ältere Menschen, die körperlich eingeschränkt sind, nutzen Parks weniger häufig als Ältere mit gutem Gesundheitszustand. Das deutet darauf hin, dass eine fehlende Berücksichtigung älterer Menschen in der Gestaltung von Grünflächen, etwa durch das Fehlen von ausreichenden Sitzgelegenheiten, befestigten und beschatteten Wegen oder öffentlichen Toiletten, diese auch nicht genutzt werden. Nur wenn diese Einrichtungen vorhanden sind, werden städtische Parks und Grünflächen auch für ältere Menschen mit körperlichen Einschränkungen zu attraktiven Aufenthaltsorten.
  2. Soziale Einbindung: Unsere Studie zeigt, dass ältere Menschen, die verheiratet sind, die sich regelmäßig mit ihrer Familie treffen und Kontakt mit ihren Nachbarn pflegen, häufiger Parks und Grünflächen besuchen als Ältere, die alleinstehend sind und wenig Kontakte haben. Für ältere Menschen kann die Einbindung in soziale Netzwerke eine Voraussetzung sowie eine besondere Motivation für die Nutzung von Grünflächen sein – nur wer jemanden hat, mit dem er oder sie die Grünflächen besuchen kann, tut dies auch. Gemeinsam ist man möglicherweise motivierter. Das ist insbesondere deshalb interessant, weil Parks und Grünflächen auch Begegnungsort sind, die soziale Interaktionen ermöglichen und fördern.

Unsere Studie diskutiert außerdem, dass neben Verteilungsaspekten auch soziale Aspekte und Partizipation in Planungsprozesse eine wichtige Rolle bei der Nutzung von Grünflächen durch ältere Menschen spielen. Die Einbindung älterer Menschen in Planungsprozesse kann zu einer besseren altersgerechten Ausstattung von Parks führen. Die Berücksichtigung der Bedeutung sozialer Einbindung für die Parknutzung kann dafür sensibilisieren, dass es mehr braucht als nur eine gerechte zahlenbasierte Verteilung im Stadtgebiet. Unsere Forschung legt nahe, dass die sozialen und partizipativen Dimensionen integrativ im Kontext von Umweltgerechtigkeit berücksichtigt werden sollten, damit die positiven Auswirkungen von Ökosystemleistungen auch älteren Menschen zugutekommen kann.

Gerechte Verteilung der Ökosystemdienstleistungen von städtischen Grünflächen für sozialen Zusammenhalt, Gesundheit und Lebensqualität in alternden Städten
Autorinnen:

Friederike Enssle promoviert in der Abteilung Kultur- und Sozialgeographie des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität Berlin im Forschungsprojekt „Superdiversität und alternde Städte“.
https://www.geographie.hu-berlin.de/de/Members/enssle_friederike

Nadja Kabisch leitet die BMBF-geförderte Nachwuchsgruppe GreenEquityHEALTH (www.greenequityhealth.hu-berlin.de) installiert am Geographischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Seit Oktober 2019 vertritt sie zudem die Professur für Stadtökologie am Institut für Ökologie der Technischen Universität Berlin für zwei Semester.

Publikation:

Enssle, F., & Kabisch, N. (2020). Urban green spaces for the social interaction, health and well-being of older people— An integrated view of urban ecosystem services and socio-environmental justice. Environmental Science and Policy, 109(April), 36–44.

Zitierte Literatur:

Böhme, C. et al. (2019) Umsetzung einer integrierten Strategie zu Umweltgerechtigkeit –Pilotprojekt in deutschen Kommunen. Abschlussbericht. Umweltbundesamt, UMWELT & GESUNDHEIT 02/2019 UMWELT & GESUNDHEIT 02/2019

Kabisch, N., & Haase, D. (2014). Green justice or just green? Provision of urban green spaces in Berlin, Germany. Landscape and Urban Planning, 122, 129–139.

Low, S. (2013). Public space and diversity: distributive, procedural and interactional justice for parks. In G. Young & D. Stevenson (Hrsg.), The Ashgate research companion to planning and culture. (S. 295–310). Ashgate Publishing, Ltd.

Naturkapital Deutschland TEEB DE. (2016). Ökosystemleistungen in der Stadt –Gesundheit schützen und Lebensqualität erhöhen. (I. Kowarik, R. Bartz, & M. Brenck, Eds.). Leipzig: Technische Universität Berlin, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Umweltgerechtigkeit in alternden Städten – mehr als die Verteilung von Grünflächen

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