In nationalen Ökosystem-Assessments erfassen und bewerten Länder den Zustand ihrer Ökosysteme und der Ökosystemleistungen, die diese bereitstellen. Prominente Beispiele für solche umfassenden Berichte gibt es zum Beispiel für das Vereinigte Königreich, Spanien und für die belgische Region Flandern. Die EU-Biodiversitätsstrategie hält die Mitgliedsstaaten dazu an, Ökosystemleistungen zu erfassen und zu bewerten. Deutschland hat bisher kein solches umfassendes Assessment.

Von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Erfassen und Bewerten des Innovationsnetzwerkes Ökosystemleistungen (ESP-DE) ist nun ein gemeinsamer Artikel zum Thema erschienen (Albert et al. 2017, GAIA). Darin stellen die AutorInnen die Ergebnisse einer nationalen Machbarkeitsstudie für ein Assessment vor und diskutieren Vorteile und Hindernisse eines solchen Prozesses. Ein nationales Ökosystem-Assessment könnte Informationen zusammentragen, die politisch relevant sind und Entscheidungen informieren können zum Management von Biodiversität, Ökosystemleistungen und deren Effekte auf menschliches Wohlbefinden. In verschiedenen Modulen könnte übergreifend gearbeitet werden. Basismodule spannen den konzeptionellen Rahmen, verschiedene wissenschaftliche Module untersuchen dann Triebkräfte für den Verlust von Biodiversität, oder die Änderung von Ökosystemleistungen über die Zeit, Zielkonflikte zwischen Ökosystemleistungen und deren Auswirkungen auf menschliches Wohlbefinden. In verschiedenen nutzerorientierten Modulen könnten einzelne Sektoren, wie Land- und Forstwirtschaft, oder bestimmte politische Fragestellungen bearbeitet werden. Um ein solches umfassendes Assessment zu erstellen bräuchte es im Idealfall ein breites politisches Mandat, einen Konsens über verschiedene Sektoren hinweg, die Beteiligung verschiedener Interessengruppen und eine substanzielle Finanzierung.

Drei Vorteile eines solchen umfassenden Assessment heben die AutorInnen hervor. Es würde, erstens, neues Wissen zu Biodiversität und Ökosystemleistungen generiert und das vorhandene Wissen und Daten, die in Deutschland oft in den Bundesländern gesammelt werden, würden zusammengeführt. Zweitens könnten spezifische Fragen aus der Politik beantwortet werden, wie die systematische Erfassung in nationalen Rechenschaftsberichten, oder die Nutzung des Konzepts Ökosystemleistungen im Rahmen des Naturschutzes und bei der Nutzung von natürlichen Ressourcen z. B. in der Land- und Forstwirtschaft. Ein dritter Aspekt wäre die Funktion des Assessments als sozialer Prozess, der verschiedene Akteure aus der Wissenschaft und Praxis zusammenbringen würde. Dieser Austausch ist auch eines der Hauptziele von ESP-DE.

Quele: TiM Caspary/pixelio.de

Ein umfassendes Ökosystem-Assessment stößt aber auch auf Hürden. So gibt es Vorbehalte zur Rolle des Ökosystemleistungsansatzes im klassischen Naturschutz und es bleibt die Frage offen, inwiefern die Nutzung und das Management von Ökosystemleistungen auch wirklich zum Schutz von Biodiversität beitragen kann. Auf politischer Seite bestand bisher Uneinigkeit darüber, zu welchem Grad welches Ministerium (Umwelt, Landwirtschaft, Wirtschaft) in den Prozess eines Assessment eingebunden werden sollte. Eine Entscheidung für ein umfassendes Assessment ist daher bisher noch nicht getroffen.

Die AutorInnen empfehlen nun schrittweise voranzugehen. Die laufenden Aktivitäten zu MAES-DE (Mapping and Assessment of Ecosystem Services für Deutschland) entwickeln bereits neue Methoden und decken Wissenslücken auf. In einem „kleinen“ Ökosystem-Assessment für Deutschland sollte die Bekanntheit des Ökosystemleistungsansatzes in verschiedenen Sektoren erhöht werden (übrigens ein weiteres Ziel von ESP-DE). Als weiteren Schritt schlagen die AutorInnen ein Horizon Scanning vor, also ein Aufdecken möglicher neuer Forschungsfragen rund um das Konzept Ökosystemleistungen im deutschen Kontext. Des Weiteren sollte ein möglichst breites Mandat für ein nationales Ökosystem-Assessment über verschiedene Sektoren hinweg erzielt werden. Dazu sollte vor allem die wiederkehrende Kritik am Ökosystemleistungsansatz adressiert werden, also die Verträglichkeit mit klassischen Naturschutzanliegen und die Wertevielfalt über monetäre Werte der Natur hinaus.

Quelle: Albert et al. 2017, GAIA
Publikation:

Albert, C., Neßhöver, C., Schröter, M., Wittmer, H., Bonn, A., Burkhard, B., Dauber, J., Döring, R., Fürst, C., Grunewald, K., Haase, D., Hansjürgens, B., Hauck, J., Hinzmann, M., Koellner, T., Plieninger, T., Rabe, S.-E., Ring, I., Spangenberg, J.H., Stachow, U., Wüstemann, H., Görg, C., 2017. Towards a National Ecosystem Assessment in Germany: A Plea for a Comprehensive Approach. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 26, 27-33. 10.14512/gaia.26.1.8.

Auf dem Weg zu einem Ökosystem-Assessment für Deutschland

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