Marlen Krause und Bettina Matzdorf

26. November 2019

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Traditionell wird der Naturschutz vor allem durch staatliche Gelder, verpflichtende Kompensationszahlungen sowie philanthropische Unterstützung seitens Umweltorganisationen, Einzelpersonen und Unternehmen finanziert. Allerdings reichen die zur Verfügung stehenden Gelder bei Weitem nicht aus. Das Ökosystemleistungskonzept hat sich entwickelt, um Naturräume und deren Bedeutung für Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft in Wert zu setzen und um zusätzliche Argumente für den Naturschutz zu schaffen, basierend auf einer rationalen, anthropozentrischen Perspektive auf die Natur. Damit wird unter anderem die Hoffnung verbunden, zusätzliche Gelder für den Naturschutz zu mobilisieren, indem neue Zielgruppen, bzw. Unterstützerkreise angesprochen werden, die nicht – oder nicht nur – durch uneigennützige Argumente zu freiwilligen Naturschutzzahlungen motiviert werden können. Aufgrund ihres Finanzvolumens und ihrer innewohnenden, gesellschaftlichen Verantwortung wird vor allem bei Unternehmen das Potential gesehen, einen entscheidenden finanziellen Mehrbeitrag zum Naturschutz zu leisten.

Umso erstaunlicher ist es, dass bisher in nur recht wenigen empirischen Forschungsarbeiten die Perspektive von Unternehmen auf Ökosystemleistungen näher untersucht wurde. Daher ist beispielsweise nicht hinreichend bekannt, ob das Ökosystemleistungskonzept tatsächlich mehr freiwillige Unternehmenszahlungen für Naturschutzzwecke anregen kann, welche Faktoren die Zahlungsbereitschaft beeinflussen und welche Unternehmenstypen am ehesten durch das Konzept angesprochen werden.

In unserer Publikation widmen wir uns deshalb diesem Thema und untersuchen die Unternehmensperspektive auf einen Online-Marktplatz für Naturschutzzertifikate. Diese Naturschutzzertifikate zeichnen sich dadurch aus, dass sie die zu erwartenden Effekte von Naturschutzprojekten hinsichtlich Biodiversität und Ökosystemleistungen für eine konkrete Fläche ausweisen, z.B. Schutz bestimmter Tier- und Pflanzenarten, Vermeidung von Nitrat in Grundwasser und Oberflächengewässer, Verminderung von Treibhausgasen. Dieser Online-Marktplatz namens AgoraNatura wird derzeit in einem gleichnamigen Forschungs- und Entwicklungsprojekt umgesetzt.

In einer explorativen Studie interviewten wir 26 sehr unterschiedlichen Unternehmen aus ganz Deutschland. In den meist persönlich geführten Gesprächen zwischen 40 Minuten und 2 Stunden Länge fanden wir heraus, dass ein solcher Online-Marktplatz zwar interessiert aufgenommen wurde, jedoch ambivalente Reaktionen bei den Gesprächspartnern hervorrief. Die Mehrheit von 15 Personen begrüßte die Quantifizierung von Ökosystemleistungs- und Biodiversitätseffekten, da es Projekte verständlicher, transparenter und glaubwürdiger mache, was wiederum den Unternehmen bei der Rechtfertigung freiwilliger Ausgaben sowie der internen und externen Kommunikation über ihr Engagement nütze. Zudem sahen einige Unternehmensvertreter den Vorteil, sich durch die Quantifizierung und den Flächenbezug der Zertifikate strategische Investitionsziele setzen oder Umweltauswirkungen, insbesondere CO2-Emissionen, freiwillig kompensieren zu können. Andere Befragte wiederum waren weniger an Naturschutzzertifikaten interessiert, da sie entweder keinen wesentlichen Nutzen darin sahen, sich überhaupt für den Naturschutz zu engagieren oder speziell keinen Bedarf an einer Quantifizierung von Ökosystemleistungs- und Biodiversitätseffekten hatten. Zudem weckte das Konzept „Naturschutzzertifikate“ bei neun Unternehmensvertretern mitunter negative Assoziationen mit „Emissionszertifikaten“, die als ineffektiv und eine Art „Ablasshandel“ empfunden wurden, bei der sich Unternehmen aus ihrer Umweltverantwortung freikaufen könnten.

Neben der Einstellung gegenüber Naturschutzzertifikaten kamen in den Interviews zahlreiche weitere Aspekte zur Sprache, die offenbar einen Einfluss auf die freiwillige Zahlungsbereitschaft für Naturschutzprojekte haben. Beispielsweise wurde die praktische Umsetzbarkeit von freiwilligem Engagement innerhalb der Unternehmen besprochen sowie der empfundene Druck seitens verschiedener Stakeholdergruppen, sich für den Naturschutz zu engagieren. Letztlich zeigten sich 12 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter aufgeschlossen gegenüber der Idee, durch den Online-Kauf von Naturschutzzertifikaten in Biodiversität und Ökosystemleistungen zu investieren. Hingegen schlossen es 11 Personen für ihr Unternehmen aus und 3 Gesprächspartner waren unentschlossen. Folglich zeichnete sich ab, dass ein Online-Marktplatz für Naturschutzzertifikate nicht alle, sondern nur eine bestimmte Zielgruppe an Unternehmen anspricht. Daher leiteten wir erste Annahmen ab, welche Unternehmenscharakteristiken hilfreich sein können, die Zielgruppe der Unternehmen zu beschreiben, die eher bereit sind, freiwillig für Biodiversität und Ökosystemleistungen zu zahlen.

Publikation

Ausführliche Informationen und Ergebnisse sind in der folgenden Publikation zu finden, die bis zum 23.12.2019 frei verfügbar heruntergeladen werden kann:

Krause, M.S., Matzdorf, B. (2019) The intention of companies to invest in biodiversity and ecosystem services credits through an online-marketplace. Ecosystem Services 40, 101026.

Projektkontext

Die Arbeit entstand im Rahmen des Forschungs- und Umsetzungsprojekts AgoraNatura. Das Projekt ist gemeinsam gefördert durch das BMBF und BMU/BfN.

Projektwebseite: www.project2.zalf.de/AgoraNatura

Erste Projektbeispiele des zukünftigen Online-Marktplatzes: www.agora-natura.de

Kontakt:

Marlen Krause

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.

Arbeitsgruppe „Governance von Ökosystemleistungen“

Programmbereich 2 „Landnutzung und Governance”

Eberswalder Str. 84, 15374 Müncheberg

Tel. 033432 – 82 131

E-Mail: marlen.krause@zalf.de

 

Die Bereitschaft von Unternehmen zur freiwilligen Zahlung für Biodiversität und Ökosystemleistungen

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