Uta Schirpke

4. Dezember 2020

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Berglandschaften bieten eine Vielzahl an kulturellen Ökosystemleistungen (ÖSL), aber es scheint immer häufiger zu Konflikten oder Einschränkungen im Nutzen kultureller ÖSL zu kommen. Ein besseres Verständnis solcher Konflikte und Einschränkungen könnte das Management von Bergregionen verbessern und ein hohes Maß an kulturellen ÖSL aufrechterhalten. Konzeptionelle und empirische Untersuchungen zur Identifikation und Bewertung von Konflikten und Nutzungsbeschränkungen in qualitativer, quantitativer und räumlicher Hinsicht sowie zu Wechselwirkungen in sozioökologischen Systemen sind jedoch noch selten und geeignete Methoden sind weitestgehend unterentwickelt. Eine neue Studie stellt die Ergebnisse eines Expertenworkshops vor und erarbeitet elf Fallstudien aus den Alpen sowie anderen Gebirgen weltweit zu verschiedenen kulturellen ÖSL, um Konflikte und Einschränkungen der Nutzung von kulturellen ÖSL in Bergregionen zu konzipieren.

Da kulturelle ÖSL durch Interaktionen zwischen Mensch und Natur erzeugt werden, wurde für die Auswertung der Fallstudien ein mehrdimensionales Framework verwendet (Abb. 1). Demnach können Konflikte und Einschränkungen aus vier Quellen innerhalb des sozioökologischen Systems sowie durch externe Faktoren entstehen: (1) soziales System; (2) Governance; (3) Ökosystem; und (4) Nutzung von kulturellen ÖSL. Darüber hinaus beeinflussen (5) externe Faktoren das regionale sozioökologische System, was eine zusätzliche Quelle für Konflikte und Einschränkungen darstellen kann.

Abb. 1: Mehrdimensionales Framework zur Identifikation und Bewertung von Konflikten und Einschränkungen bei der Nutzung von kulturellen ÖSL (Abbildung aus Schirpke et al. 2020).

Die Ergebnisse zeigen, dass Nutzungskonflikte hauptsächlich mit sozioökonomischen Veränderungen und einer zunehmenden Freizeitnutzung zusammenhängen (Abb. 2). Die Fallstudien zeigen beispielsweise, dass eine Intensivierung der Landwirtschaft und die Entwicklung des Tourismus Konflikte mit einer traditionellen Landschaftsnutzung und den damit verbundenen kulturellen ÖSL wie ästhetische Werte, kulturelle Identität oder Landschaftsgedächtnis verursachen können. Diese Veränderungen können auch aufgrund unklarer rechtlicher Rahmenbedingungen, formeller oder informeller Regeln oder der ungleichen Verteilung von Rechten zu Konflikten führen. Konflikte, die sich direkt aus der Nutzung kulturelle ÖSL ergeben, stehen meist in Zusammenhang mit einer steigenden oder sich ändernden Nachfrage nach Erholung im Freien. So kommt es vermehrt zu Konflikten zwischen verschiedenen Nutzergruppen, z.B. Wanderer und Radfahrer. Solche Konflikte treten hauptsächlich dann auf, wenn zu viele Menschen gleichzeitig und am selben Ort Freizeitaktivitäten ausüben. Die räumliche Ausweitung von Freizeitaktivitäten wie Skitourengehen oder Mountainbiken beeinträchtigt Ökosysteme oder die Wildtiere. Solche Umweltauswirkungen der (Über-)Nutzung verursachen wiederum Konflikte mit Landbesitzern, Förstern, Jägern, Naturschützern, öffentlichen Einrichtungen usw.

Abb. 2: a) Touristische Infrastruktur in den Alpen und b) Freizeitaktivitäten in unberührter Natur. Fotos: Uta Schirpke

Die Fallstudien zeigen auch, dass Nutzungsbeschränkungen stark von Zugänglichkeit und rechtlichen Fragen abhängen. Dazu gehören infrastrukturelle Einschränkungen wie Zäune, Mauern, schlecht ausgebaute öffentliche Straßen oder unzureichende öffentliche Verkehrsmittel. Einschränkungen in der Sicherheit sind beispielsweise in Regionen wichtig, die politisch instabil sind oder in denen Menschen Angst haben, angegriffen oder ausgeraubt zu werden. Rechtliche Einschränkungen in Kernzonen von Schutzgebieten oder Winterruhezonen zielen häufig darauf ab, die biologische Vielfalt durch Zugangs- oder Nutzungsbestimmungen zu schützen. Zugangsrechte, die in erster Linie durch Landbesitz (privat oder öffentlich) bestimmt werden, können auch bestimmte Nutzungsarten ausschließen oder sich auf Eintrittsgelder oder Reisegebühren beziehen. Einschränkungen entstehen auch aufgrund natürlicher Bedingungen wie extremes Wetter, Lawinen oder Überschwemmungen sowie Steinschlag. Die meisten dieser Einschränkungen sind jedoch nicht dauerhaft und betreffen möglicherweise nicht alle Nutzer gleichermaßen.

Die Studie stellt außerdem mögliche Ansätze zur Bewertung von Konflikten und Nutzungsbeschränkungen zusammen. Dazu gehörten verschiedene Datenerhebungsmethoden, Kartierungstechniken und Ansätze zur sozialen Bewertung. Somit will die Studie die Weiterentwicklung der Forschung kultureller ÖSL unterstützen und dazu beitragen, nachhaltige Lösungen zu entwickeln und kulturelle ÖSL in Berglandschaften zu erhalten.

Autorin

Uta Schirpke arbeitet am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck und beim Institut für Alpine Umwelt an der EURAC in Bozen (Italien) mit Forschungsschwerpunkt Ökosystemleistungen. Sie konzentriert sich auf die Modellierung und Analyse von räumlichen und zeitlichen Entwicklungen von Ökosystemen und Ökosystemleistungen.

Kontakt: uta.schirpke@eurac.edu

Veröffentlichung (Open Access)

Schirpke, U., Scolozzi, R., Dean, G., Haller, A., Jäger, H., Kister, J., Kovács, B., Sarmiento, F.O., Sattler, B., Schleyer, C., 2020. Cultural ecosystem services in mountain regions: Conceptualising conflicts among users and limitations of use. Ecosystem Services 46, 101210. https://doi.org/10.1016/j.ecoser.2020.101210

Kulturelle Ökosystemleistungen in Bergregionen: Konzeptualisierung von Nutzungskonflikten und Nutzungsbeschränkungen

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