Markus Meyer & Florian Leckert

3. Juli 2017

geschrieben in Alle Neuigkeiten, ESP-DE Blog

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Bioenergie soll in vielerlei Hinsicht dazu beitragen, das Leben und Handeln auf der Erde nachhaltiger zu gestalten. Neben sozioökonomischen Vorteilen soll eine Neuausrichtung der Energieversorgung die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern mindern und sich vorteilhaft auf die Klimabilanz auswirken. Doch die Umstellung auf eine Energieversorgung aus biologisch erzeugten Energieträgern birgt auch Risiken.

Um etwaige Umweltrisiken zu identifizieren, ist es nach der „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ der EU notwendig, eine Bewertung der Auswirkungen von Bioenergien sowohl auf die Umwelt als auch auf Ökosystemleistungen durchzuführen. Die vage Bewertung der Umweltfolgen mit Zertifizierungssystemen als anerkanntes Complianceinstrument lässt einen großen Freiraum bei der Wahl der Bewertungsmethoden.

Uns interessierte, welche Bandbreite an Methoden Studien zur Bewertung von Umweltfolgen und Ökosystemleistungen im Kontext der Bioenergie anwenden und welche Stärken und Schwächen zu erkennen sind. Hierzu wurden die Vorgehensweise und Kernpunkte aus insgesamt 76 Studien zu Umweltbewertung und Ökosystemleistungen verglichen und zu Gruppen statistisch zusammengefasst. Neu an unserem Artikel „A systematic review of the conceptual differences of environmental assessment and ecosystem service studies of biofuel and bioenergy production“ ist die vergleichende Untersuchung der beiden Ansätze, die von der „Erneuerbaren-Energien-Richtlinie“ zwar umrissen werden, aber ihrer Umsetzung kaum näher definiert sind.

 

Beide Diagramme heben die unterschiedlichen Ausprägungen und Merkmale der Studien hervor. Der obere Teil spiegelt die Studienqualität, sowie den Nachhaltigkeitsfokus von 1 (= nicht zutreffend) bis 5 (= zutreffend) wider. Der untere Teil zeigt den Anteil der Studien, die die genannten Kriterien betrachten.

Grundsätzlich konnten wir die Homogenität innerhalb der beiden Gruppen Umweltbewertung und Ökosystemleistungen und Heterogenität zwischen den Gruppen bestätigen.

Die größten Unterschiede zeigen sich in der gewählten Aggregationsebene und Systemsicht der Bioenergieerzeugung. Studien zu Ökosystemleistungen liefern eher eine umfassende Systembetrachtung der Bioenergie auf die Umwelt als komplexes, vielschichtiges Wirkungsgefüge mit einem Bündel von möglichen Wirkungskategorien. Viele Studien zur Umweltbewertung beschränken sich hingegen oft auf eine oder wenige Umweltwirkungen, aber betrachten diese in größerem Umfang und mit mehr Details (z.B. Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette). Studien über Ökosystemleistungen gehen in der Regel noch einen Schritt weiter und analysieren die Wirkungen einer beeinträchtigten Umwelt auf den Menschen, was anhand der zusätzlichen Betrachtungsebene Umwelt à Mensch deutlich wird. Durch die stärkere Berücksichtigung ökonomischer und sozialer Aspekte sind sie deshalb nicht nur für die Umweltforschung, sondern auch für andere Disziplinen wie z.B. die Soziologie relevant. Allerdings sorgen die zusätzlich bedachten Faktoren für einen steigenden Aufwand bei der Datenbeschaffung, sowie einen höheren Grad an Unsicherheiten auf Grund ihrer Datenfülle aus Bezugsquellen unterschiedlicher Herkunft.

Letztendlich können beide Ansätze Verantwortlichen dabei helfen bessere Entscheidungen in Bezug auf die Bewertung von Bioenergien zu treffen. Dabei stellten sich drei wesentliche Anforderungen heraus, die im politischen Interesse zukünftig berücksichtigt werden sollten.

  1. Die derzeitige politische Fokussierung auf ökologische Nachhaltigkeit ist mitunter ursächlich für die relativ geringe Berücksichtigung von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten in den Studien. Insbesondere fordert die aktuelle „Erneuerbaren-Energien-Richtlinie“ kaum soziale und wirtschaftliche Auswirkungen der gegenwärtigen Bioenergiepolitik zu bewerten und zu berücksichtigen. Ein zusätzliches Augenmerk auf soziale und wirtschaftliche Aspekte ist wichtig, um eine umfassendere Nachhaltigkeitsbewertung der Bioenergieproduktion zu ermöglichen.
  2. Umweltpolitische Studien sollten nicht nur die Auswirkungen von Bioenergie auf regionaler Ebene beurteilen, sondern auch auf überregionale Effekte eingehen. Komplexe Zusammenhänge, wie z.B. die nicht zu vernachlässigenden Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die globalen Treibhausgasemissionen, unterstreichen, dass eine enge räumliche Perspektive die Nachhaltigkeitsbewertung von Bioenergie nur unzureichend bewältigen kann.
  3. Nicht alle Studien zu Ökosystemleistungen beleuchten den menschlichen Nutzen, der aus Umweltsystemen generiert wird. Innerhalb der „Erneuerbaren-Energien-Richtlinie“ ist die Verknüpfung zwischen Bioenergie und menschlichem Wohlbefinden nicht explizit erforderlich, was zu einer unzureichenden Umsetzung des Ökosystemleistungsansatzes führt. Für eine bessere Integration des Ansatzes in die Bioenergiepolitik wäre es daher notwendig geltende Regelungen mit Hilfe klarer Linien entsprechend anzupassen.
Autoren

Florian Leckert ist Studierender des Masterprogrammes Human Geography and Sustainability am Department für Geographie der Ludwig-Maximilians-Universität in München. In seiner Bachelorarbeit befasste er sich vor allem mit den methodischen Hintergründen von Ökosystemleistungen.

Dr. Markus Meyer ist aktuell wissenschaftlicher Mitarbeiter der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft und bearbeitet den strategischen Forschungsschwerpunkt „Ökosystemleistungen – Dialog mit der Gesellschaft“. Die Arbeit entstand während seiner Tätigkeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Lehr- und Forschungseinheit für Mensch-Umwelt-Beziehungen an der der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Veröffentlichung:

Meyer, M.A. & Leckert, F.S. (im Druck). A systematic review of the conceptual differences of environmental assessment and ecosystem service studies of biofuel and bioenergy production. Biomass & Bioenergy. https://doi.org/10.1016/j.biombioe.2017.05.003.

Ökosystemleistungen und Umweltfolgen: Konzeptionelle Unterschiede in der Bewertung am Beispiel der Bioenergie

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