Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Stadtplanung und bei der Gestaltung von Grünflächen gehen wir häufig davon aus, dass grüne Infrastrukturen in Städten gleichzeitig Biodiversität und Ökosystemleistungen wie Klimaregulation oder Erholung fördern. Die dahinterliegende Annahme ist, dass Biodiversität und Ökosystemleistungen positiv miteinander zusammenhängen, dass also mehr Biodiversität gleichzeitig mehr Ökosystemleistung bedeutet und umgekehrt die Förderung von Ökosystemleistungen zugleich dem Schutz der Biodiversität dient. Unter „mehr Biodiversität“ verstehen wir dabei meistens eine höhere Anzahl von Biotopen, Arten oder Artmerkmalen (also Eigenschaften von Arten wie bspw. die Blütenfarbe von Pflanzen).
Für ländliche Räume gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die solch einen positiven Zusammenhang gefunden haben. Aus drei Gründen können diese Ergebnisse nicht einfach auf Städte übertragen werden: Erstens herrschen in Städten andere Umweltbedingungen, beispielsweise sind die Temperaturen meist höher, die Böden trockener und oft versiegelt. Darauf haben, zweitens, Organismen bereits reagiert, so dass wir in Städten mehr Arten finden, die an solche Bedingungen angepasst sind. Drittens greifen wir Menschen häufig direkt in das städtische Arteninventar ein, indem wir zum Beispiel entscheiden, welche Pflanzen wir in unseren Gärten und auf unseren Balkonen anbauen, von denen aus so manche Art verwildert.

In unserem Fachartikel sind wir deshalb der Frage nachgegangen, wie viele Studien diese Annahme eines positiven Zusammenhangs von Biodiversität und Ökosystemleistungen unterstützen. Dafür haben wir wissenschaftlich begutachtete Studien, die zwischen 1990 und Mai 2017 veröffentlicht wurden, ausgewertet. Insgesamt haben wir 317 Veröffentlichungen zu Städten untersucht, in denen sowohl Biodiversität als auch Ökosystemleistungen als Stichworte genannt wurden. In den Studien wurde 441 mal ein Zusammenhang zwischen Biodiversität und Ökosystemleistungen erwähnt. Nur in der Hälfte der Fälle wurde dieser Zusammenhang geprüft, bspw. indem statistisch oder experimentell getestet wurde, ob eine höhere Artenzahl mit einer gesteigerten Erholungsfunktion einherging. Von allen empirischen Tests fiel etwa die Hälfte positiv aus, d.h. mehr Biodiversität ging mit mehr Ökosystemleistungen einher. Die anderen Studien fanden entweder einen negativen Zusammenhang (mehr Biodiversität bei gleichzeitig geringeren Ökosystemleistungen) oder konnten keine statistisch verlässlichen Aussagen treffen. Während der Auswertung fiel uns auf, dass es vergleichsweise wenig Informationen dazu gibt, wie bestimmte Arten oder einzelne Artmerkmale mit Ökosystemleistungen zusammenhängen – obwohl Artmerkmale eine wichtige Rolle für die Funktion von Ökosystemen spielen, z.B. für das Zusammenspiel von Pflanzen und bestäubenden Insekten.
Insgesamt zeigte sich, dass die Datenlage zum Zusammenhang von Biodiversität und Ökosystemleistungen in städtisch geprägten Landschaften unzureichend ist. Viele mögliche Kombinationen von Biodiversität und Ökosystemleistungen sind bisher für Städte noch gar nicht oder nicht ausreichend untersucht worden. Es ist unbedingt nötig, diese Wissenslücken zu schließen, um der Stadtplanung Informationsgrundlagen für einen effektiven Schutz von Biodiversität und Ökosystemleistungen zu liefern.
Veröffentlichung
Schwarz, N., Moretti, M., Bugalho, M.N., Davies, Z.G., Haase, D., Hack, J., Hof, A., Melero, Y., Pett, T.J., Knapp, S. (2017). Understanding biodiversity-ecosystem service relationships in urban areas: A comprehensive literature review. Ecosystem Services 27, 161–171. doi:10.1016/j.ecoser.2017.08.014
Autorinnen
Nina Schwarz ist Assistant Professor für städtische Mensch-Umwelt-Beziehungen an der Universität Twente, Niederlande. In ihrer Forschung untersucht sie die Wechselwirkungen von menschlichen Entscheidungen wie Wohnstandortwahl oder Landnutzungswandel einerseits und städtischen Ökosystemleistungen andererseits.
Sonja Knapp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Halle an der Saale, Deutschland. Ihre Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die Auswirkungen von Landnutzungswandel auf die biologische Vielfalt.