Till Hermanns

8. Mai 2017

geschrieben in ESP-DE Blog

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Die integrative und räumlich explizite Nachhaltigkeitsbewertung von Landnutzungsszenarien auf der regionalen Ebene ist mit vielen konzeptionellen und methodischen Herausforderungen bei der Folgenabschätzung der Nachhaltigkeitswirkung der Szenarien und der Regionalisierung von Nachhaltigkeitszielen konfrontiert. Diese Herausforderungen sind bspw. die Integration von quantitativen und qualitativen Informationen in einen Bewertungsansatz sowie die sich ständig verändernde gesellschaftliche Landnutzungsnachfrage und normative Werte auf verschiedenen Governance-Ebenen und daraus resultierende Landnutzungskonflikte.

In dem Artikel zu „Sustainability impact assessment of peatland-use scenarios: Confronting land use supply with demand“ haben wir versucht diese Herausforderungen zu operationalisieren. Um in einer Fallstudie zur Nachhaltigkeitsbewertung von Niedermoorszenarien in Nordostdeutschland die Folgen von Landnutzungsszenarien auf das regional-spezifische Angebot von Funktionen und Services der Landnutzung mit der jeweiligen gesellschaftlichen Nachfrage abzugleichen, haben wir einen analytischen Rahmen weiterentwickelt. Zur Operationalisierung des Angebots an ökologischen, ökonomischen und sozialen Funktionen und Services der Landnutzung, haben wir das Konzept der Landnutzungsfunktionen angepasst. Dieses Konzept basiert auf den Ökosystemleistungen und der Multifunktionalen Landnutzung und wurde insbesondere für das Impact Assessment von Politiken und Landnutzungsänderungen in Europa entwickelt. Im Gegensatz zu dem Konzept der Ökosystemleistungen werden durch dieses Konzept aber noch stärker ökonomische, soziale und kulturelle Services, die mit der Landnutzung in Verbindung, erfasst.

Zur Bestimmung der zukünftigen gesellschaftliche Nachfrage nach den Landnutzungsfunktionen in Nordostdeutschland haben wir ökologische, ökonomische und soziale Entwicklungsziele für die zukünftige Landnutzung haben wir Stakeholderstrategien (Politik- und Akteursstrategien, Planungskonzepte und Gesetze) auf verschiedenen Governance-Ebenen analysiert. Die Vielzahl an Entwicklungszielen haben wir dann mit einer qualitativen Frameanalyse in Landnutzungsansprüche zusammengefasst. Die Landnutzungsansprüche haben wir in sechs Hauptnutzungsansprüche mit jeweiligen Nebennutzungsansprüchen spezifiziert. Die sechs identifizierten Hauptnutzungsansprüche sind: (1) `Nachhaltige Intensivierung`, (2) `Umwelt-, Ressourcen- und Naturschutz`, (3) `Klimaschutz- und -anpassung`, (4) `Regionale und ländliche Entwicklung`, (5) `Stadt-Land-Verflechtungen` und (6) `Lebensqualität`. Die identifizierten Landnutzungsansprüche haben wir dann wieder mit den Landnutzungsfunktionen verknüpft und mit Wissenschaftlern für die Bestimmung der Folgen der Niedermoorszenarien jeweils drei ökologische, ökonomische und soziale Landnutzungsfunktionen ausgewählt. Die Landnutzungsfunktionen wurden dabei durch geeignete nachhaltigkeitsrelevante Themen und Indikatoren spezifiziert und an die regionalen Besonderheiten der Niedermoore in Nordostdeutschland angepasst. Zum Abgleich der Folgen von Landnutzungsszenarien auf das Angebot von Landnutzungsfunktionen mit der gesellschaftlichen Nachfrage in Form von Landnutzungsansprüchen, haben wir dann in der Fallstudie zur Nachhaltigkeitsbewertung der Niedermoorszenarien eine partizipative Folgenabschätzung mit Wissenschaftlern und Praxisakteuren vorgenommen.

Bei der Nachhaltigkeitsbewertung der Niedermoorszenarien in Nordostdeutschland konnten wir Zielkonflikte zwischen dem Angebot der neun ökologischen, ökonomischen und sozialen Landnutzungsfunktionen und den gesellschaftlich wünschenswerten Landnutzungsansprüchen identifizieren (siehe Abbildung 1).

Ergebnisse der Nachhaltigkeitsbewertung der Niedermoorszenarien

Das Szenario `Leistung gegen Leistung` führte insbesondere zu positiven Effekten auf die ökologischen Landnutzungsfunktionen (Wasserangebot, Biodiversität und Senkenfunktion) und leicht positive Effekte auf die sozialen Landnutzungsfunktionen. In diesem Szenario sind wir von einer Extensivierung (Anhebung des Grundwasserstandes und bspw. Wasserbüffel als standortangepasste Landnutzungsform) der Landnutzung und einer Dezentralisierung der Betreibermodelle bei der Landbewirtschaftung und Weiterverarbeitung ausgegangen. Das Szenario `Markt macht Nutzung` hatte dagegen insbesondere positive Effekte auf die ökonomischen Landnutzungsfunktionen (Land-basierte und nicht-land basierte Produktion) und durchgehend negative Effekte auf die ökologischen Landnutzungsfunktionen. In diesem Szenario sind wir von einer Intensivierung (Absenkung des Grundwasserstandes und bspw. sogar wieder Ackernutzung als dann standortangepasste Landnutzungsform) der Landnutzung und einer Zentralisierung der Betreibermodelle ausgegangen.

Um die Landnutzung auf den Niedermoorflächen in Nordostdeutschland zukünftig nachhaltiger gestalten zu können und für das Erreichen möglichst vieler gesellschaftlich wünschenswerter Landnutzungsansprüche, plädieren wir daher für eine starke multifunktionale Landnutzung und die stärkere gesellschaftliche Honorierung der regulierenden und kulturellen Ökosystemleistungen.

Der entwickelte analytische Rahmen kann insbesondere für die integrative und räumlich explizite Nachhaltigkeitsbewertung von Landnutzungsszenarien auf der regionalen Ebene in partizipativen Workshops mit Wissenschaftlern und Praxisakteuren angewendet werden. Der analytische Rahmen ist designt, um das zukünftige Angebot von Funktionen und Services der Landnutzung mit der gesellschaftlichen Nachfrage regional-spezifisch abzugleichen.

Artikel

Hermanns, T., Helming, K. et al., 2017. Sustainability impact assessment of peatland-use scenarios: Confronting land use supply with demand. Ecosystem Services. DOI: 10.1016/j.ecoser.2017.02.002.

Hermanns, T., Helming, K. et al., 2015. Stakeholder strategies for sustainability impact assessment: Analytical framework and identifying land use claims. Land. DOI: 10.3390/land4030778.

Zur Person:

Till Hermanns ist ausgebildeter Humangeograph. Nach seinem Studium an der Georg-August-Universität Göttingen hat er am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF e.V.) in dem ELaN-Projekt an der Nachhaltigkeitsbewertung von Landnutzungsszenarien geforscht. Weitere Berufserfahrung zu der Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien konnte er in dem Kleinförderprogramm Lokale Agenda 21 bei der agrathaer GmbH sammeln. Zurzeit beendet er als Gastwissenschaftler am ZALF e.V. meine Doktorarbeit zu „Sustainability Impact Assessment of land use scenarios in the area of tension between space production and reproduction – Development of an analytical framework at the regional level“. Dabei wird er von Herrn Prof. Dr. Heiko Faust (Humangeographie, Georg-August-Universität Göttingen) und Frau Prof. Dr. Katharina Helming (Leiterin der Arbeitsgruppe Nachhaltigkeitsbewertung, ZALF e.V.) betreut.

Nachhaltigkeitsbewertung von Niedermoorszenarien: Ein Abgleich des Angebots der Landnutzung mit der gesellschaftlichen Nachfrage

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